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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verfügte.
    Als die Mietdroschke, die Malta vorher bestellt hatte, an der Tür auftauchte, schien Rache kaum beunruhigt. Wohin wollte ihre junge Lady fahren? Zu einem Abend in Kitten Shuyevs Haus, erwiderte Malta. Kittens Eltern hatten einen Puppenspieler eingeladen, der sie und ihren jüngeren Bruder unterhalten sollte, während ihr Vater und ihre Mutter auf den Herbstball gingen. Es war bekannt, dass Kittens Knöchel immer noch schmerzte, seit ihr Pony sie abgeworfen hatte. Malta wollte hingehen und sie aufheitern. Wenn sie schon beide den Erntedankball verpassten, konnten sie das doch wenigstens gemeinsam tun.
    Malta vertraute vollkommen auf ihre zwanglosen Lügen.
    Rache hatte jedenfalls fraglos geglaubt, genickt und lächelnd gesagt, dass sie nicht daran zweifelte, dass Kitten sich sehr gut amüsieren würde. Die einzige Unbequemlichkeit war ihr dunkler Wintermantel, den Malta auf dem Weg zum Ball über ihrem Kleid tragen mußte. Er passte einfach nicht zu dem schönen Kleid. Aber sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass sie das Kleid vorher beschmutzte. Und außerdem sollte man sie erst dann richtig sehen, wenn sie in den Saal trat. Eigentlich war eine Mietdroschke auch nicht das angebrachte Transportmittel, um bei dem Ball vorzufahren. Die meisten anderen würden sich von Kutschen bringen lassen oder ihre stolzesten Pferde reiten. Ihr schönstes Pferd war das fette Pony, das sie sich mit Seiden teilte. Sie hatte vergeblich um ein eigenes Pferd gebettelt.
    Wie üblich hatte ihre Mutter das Ansinnen abgelehnt. Wenn sie ordentlich reiten wollte, konnte sie das auf der alten Mähre ihrer Mutter tun. Die war sogar älter als Malta. Selbst wenn sie den Gaul hätte nehmen wollen, konnte sie ihn um diese Zeit nicht aus dem Stall reiten, ohne dass ihre Mutter es hörte. Außerdem fand sie in Anbetracht ihrer flatternden Röcke einen Auftritt zu Pferd unpassend.
    Trotz allem, trotz des schweren Wintermantels, in dem sie in dieser warmen Nacht schwitzte, trotz des rüden kleinen Liedes, das der Kutscher sang und wohl für amüsant hielt, trotz des Wissens, wie wütend ihre Mutter hinterher werden würde, fand sie es schrecklich aufregend. »Ich mache es. Ich mache es tatsächlich!«, sagte sie sich immer wieder. Es verlieh ihr ein berauschendes Gefühl von Macht, dass sie endlich vorgetreten war und nun ihr Leben selbst in die Hand genommen hatte. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie leid sie es war, zu Hause zu sein und das Kind ihrer Mutter zu spielen. Ihre Mutter war so gesetzt und matronenhaft und etabliert. Sie tat nie etwas, das die Leute nicht auch von ihr erwarteten.
    Im letzten Jahr, während Großvater starb, war das Haus der langweiligste Ort auf der ganzen Welt gewesen. Nicht, dass es dort jemals aufregend gewesen wäre. Jedenfalls nicht so wie in den Häusern anderer Leute. Andere Händlerfamilien veranstalteten Feste in ihren Häusern, und zwar nicht nur für Händler. Einige hießen auch die Neuankömmlinge und ihre Familien willkommen. Die Beckerts hatten einmal einen ganzen Abend lang ihren Spaß mit einer Jongleurtruppe gehabt, die eine Familie der Neuankömmlinge gemietet hatte. Polia Beckert hatte ihr am nächsten Tag alles darüber erzählt. Dass die jungen Männer in der Truppe kaum mehr als einen Lendenschurz getragen hätten und wie sie mit Feuer, Messern und Glasbällen jongliert hatten. Nichts dergleichen gab es im Haus der Vestrits. Großmutter lud zwar manchmal einige der alten Händlerdamen ein, aber sie saßen nur in einem Raum zusammen, machten Stickereien, tranken Wein und redeten darüber, wieviel besser es früher gewesen war. Aber selbst die waren schon lange nicht mehr gekommen. Als Großvaters Krankheit immer schlimmer wurde, lud Großmutter niemanden mehr nach Hause ein. Alle Räume waren beinahe ein Jahr lang ruhig, öde und dämmrig gewesen. Mutter hatte sogar aufgehört, abends Harfe zu spielen. Nicht, dass Malta es vermisst hätte.
    Wenn Mama spielte, versuchte sie immer, Malta ebenfalls Noten beizubringen. Aber herumzusitzen und an Harfensaiten zu zupfen entsprach nicht gerade Maltas Vorstellung von einem interessanten Abend.
    »Halten Sie hier!«, rief sie dem Kutscher zu. »Nein, hier!«, wiederholte sie dann lauter. »Halten Sie hier! Ich will zu Fuß zur Tür gehen! Ich sagte, ich will gehen, Sie Idiot!«
    Er war fast schon im Licht der Fackeln, als er den Einspänner anhielt. Und dann besaß er auch noch die Unverfrorenheit, über ihren Ärger zu lachen. Sie gab ihm genau so

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