Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
stellte weder die Farbe in Frage, für die Malta sich entschieden hatte, noch versuchte sie, Malta in Papier zu verstecken. Stattdessen nahm sie kurz Maß und sprach von Dingen wie Schmetterlingsärmeln und wie ein bisschen Spitze am knospenden Busen bei einer jungen Frau die Illusion von Fülle erzeugen konnte. Da wusste Malta, dass sie eine gute Wahl getroffen hatte. Sie hüpfte beinahe nach Hause und entschuldigte ihre Verspätung damit, dass sie keine freie Mietdroschke hatte finden können.
Die Entscheidung, sich ihre eigene Schneiderin zu suchen, erwies sich als ein folgenschwerer Glücksgriff. Die Frau hatte nämlich einen Vetter, der Slipper herstellte. Sie schickte Malta zu ihm, als sie zur zweiten Anprobe des Kleides kam. Und Territel erinnerte sie auch daran, dass sie Juwelen brauchen würde. Sie machte Malta klar, dass die Echtheit des Schmucks längst nicht so wichtig war wie der Effekt, den sein Funkeln und sein Glanz erzeugten. Strass würde es genauso tun wie echte Diamanten, und außerdem würde ihr Budget ihr so größeren und glitzernderen Schmuck ermöglichen. Sie hatte noch eine Cousine. Die kam mit ihren Waren, als Malta ihre dritte Anprobe hatte. Als sie zur letzten Probe kam, waren auch die Slipper und der Schmuck fertig. Und Territel war auch noch so nett, ihr zu zeigen, wie sie ihre Lippen und Augen nach dem letzten Schrei schminken musste. Sie verkaufte Malta sogar einiges von ihrem eigenen Puder und ihrer Schminke. Die Frau war wirklich unglaublich nett. »Das Kleid so zu bekommen, wie ich es mir erträumt habe, ist wirklich jeden Heller wert«, erklärte ihr Malta und reichte ihr dankbar die Börse mit Gold, die ihr Vater ihr geschenkt hatte. Das war zwei Tage vor dem Erntedankball gewesen.
Es war eine Meisterleistung, sowohl was ihre Nerven als auch ihre Kreativität anging, das schlicht in Papier eingeschlagene Kleid ins Haus zu schmuggeln. Sie konnte es nicht nur erfolgreich vor ihrer Mutter, sondern auch vor Nana verstecken. Die alte Frau hatte nicht mehr genug zu tun. Da Seiden jetzt so alt war, dass er Unterricht bekam und nicht mehr jede Minute beaufsichtigt werden musste, schien Nana Malta ständig auszuspionieren. Ihr ganzes »Aufräumen« in Maltas Zimmer war nur ein Vorwand, ihre Sachen zu durchwühlen. Nana stellte ihr ständig Fragen, die das alte Kindermädchen eigentlich nichts angingen. »Woher hast du diesen Duft? Weiß deine Mutter, dass du diese Ohrringe in der Stadt trägst?«
Am Ende hatte sie eine ganz einfache Lösung gefunden. Sie befahl Rache, das eingewickelte Kleid, den Schmuck und die Slipper in ihrem Quartier zu verwahren. Ihre Großmutter hatte Rache kürzlich ein eigenes kleines Häuschen zur Verfügung gestellt, das zum kleinen Teichgarten hinausging. Malta wusste nicht, womit Rache es sich wohl verdient hatte, einen eigenen Raum zu bekommen, aber sie fand es sehr nützlich. Niemand machte sich Gedanken, wenn sie Zeit mit Rache verbrachte.
Schließlich sollte die junge Sklavin sie ja im Tanzen und in Haltung und Etikette unterrichten. Es war natürlich sehr komisch, dass ausgerechnet eine Sklavin von solchen Dingen wissen sollte. Delo und Malta kicherten die seltenen Male, die sie zusammen waren, oft darüber. Allerdings dachte Delo mittlerweile anscheinend, dass sie zu alt und weiblich war, um mit einem Mädchen wie Malta Zeit zu verbringen. Nun, das würde sich ändern, sobald Malta sich auf dem Erntedankball präsentiert hatte.
Rache war es auch, die ihr in der Nacht des Balles beim Anziehen half. Malta hatte sie nicht vorher informiert. So gab sie der Sklavin nicht genug Zeit, lange nachzudenken und dann vielleicht zu ihrer Großmutter oder Mutter zu laufen und zu petzen. Stattdessen war sie einfach zu Raches Haus gegangen und hatte das Paket verlangt. Sie hatte Rache befohlen, ihr beim Anziehen zu helfen, und die Frau hatte gehorcht. Dabei hatte sie seltsam gelächelt. Malta erkannte nun die Nützlichkeit einer gehorsamen Sklavin. Als sie ihr Kleid angelegt hatte, saß sie vor Raches kleinem Spiegel, legte ihren Schmuck an und bemalte sich dann sorgfältig Lippen und Augen. Wie die Schneiderin es ihr gezeigt hatte, schminkte sie die äußeren Ränder ihrer Ohren und ihre Ohrläppchen in derselben Farbe wie ihre Augenlider.
Der Effekt war sowohl exotisch als auch verführerisch. Die Sklavin schien von dem, was Malta tat, vollkommen fasziniert zu sein. Sie war vermutlich verblüfft, dass das Mädchen bereits über solch weibliche Fertigkeiten
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