Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Efeus, der das Gebäude bedeckte. Es wirkte wie ein magischer Ort, gleichzeitig romantisch und geheimnisvoll.
Cerwin erwartete sie dort. Er hatte eine kleine Kerze angezündet, damit sie zu ihm fand. Ihr Herz klopfte heftig. Das war perfekt, wie aus einem romantischen Minnesängerlied. Sie war die Heldin, die junge Frau, der vom Schicksal und ihrer Familie übel mitgespielt wurde, die schön und jung und untröstlich über die Gefangenschaft ihres Vaters war. Trotz allem, was ihre lieblose Familie ihr antat, war sie diejenige, die das letzte Opfer brachte, das sie alle errettete. Cerwin war der junge Mann, der sie erlösen sollte, weil sein männliches, junges Herz vor Liebe glühte. Er konnte nicht anders. Sie blieb in dem fahlen Mondlicht stehen und genoss ausgiebig die dramatische Szenerie.
Leise ging sie weiter, bis sie durch die mit Blättern bedeckte Tür spähen konnte. Zwei Gestalten warteten drinnen auf sie. Delo hockte in einer Ecke, eingemummelt in ihren Umhang, doch Cerwin ging unruhig auf und ab. Seine Bewegung ließ die Kerzenflamme flackern. Seine Hände waren leer. Malta runzelte die Stirn. Das war nicht richtig. Reyn hätte ihr wenigstens Blumen mitgebracht. Nun, vielleicht hatte Cerwin ihr ja ein kleines Geschenk mitgebracht, eines, das er in der Tasche hatte. Sie wollte sich diesen Moment nicht verderben lassen.
Malta schob die Kapuze vom Kopf, schüttelte ihr Haar aus und drapierte es sorgfältig über ihre Schultern. Dann fuhr sie sich mit den Zähnen über die Lippen, damit sie röter wurden, und trat in den Lichtkreis, der aus der Laube fiel. Sie ging in einem gemäßigten Tempo und hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Cerwin bemerkte sie sofort. Sie blieb halb im Schatten stehen, drehte ihr Gesicht zum Kerzenschein und öffnete weit die Augen.
»Malta!«, flüsterte er. Seine Stimme klang erstickt vor unterdrückten Emotionen, als er auf sie zuging. Er würde sie in die Arme nehmen. Sie bereitete sich innerlich darauf vor, doch stattdessen blieb er stehen und sank vor ihr auf ein Knie. Er hatte den Kopf gesenkt, und sie konnte nur seine dunklen Locken sehen. »Danke, dass Ihr gekommen seid«, sagte er gepresst. »Als Mitternacht verstrich und Ihr noch nicht hier wart, fürchtete ich schon…« Er rang nach Atem und schluchzte beinahe. »Ich hatte wohl schon gar keine Hoffnung mehr.«
»Ach, Cerwin«, murmelte sie traurig. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Delo an die Tür der Laube geschlichen war und sie beobachtete. Einen Moment ärgerte sich Malta. Es verdarb die Stimmung, wenn Cerwins kleine Schwester sie bespitzelte. Doch dann dachte sie nicht mehr daran. Es spielte keine Rolle. Delo konnte niemandem etwas erzählen, ohne sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. Malta trat dichter an Cerwin heran. Sie legte ihre blassen Hände auf seinen Kopf und strich mit den Fingern durch sein Haar. Er hielt bei dieser Berührung die Luft an. Sie hob seinen Kopf, sodass er sie ansehen konnte. »Wie konntet Ihr denken, dass ich nicht kommen würde?«, fragte sie ihn freundlich. Sie seufzte leise. »Ganz gleich, wie viel Sorgen mich plagen, und ganz gleich, wie groß die Gefahr für mich ist… Ihr hättet wissen müssen, dass ich kommen würde.«
»Ich habe zu hoffen gewagt«, gab er zu. Als er zu ihr aufblickte, erschrak Malta. Er ähnelte Brashen sehr, nur verblasste er erheblich im Vergleich. Sie hatte Cerwin für männlich und reif gehalten. Nachdem sie jedoch jetzt Brashen einen Abend lang beobachtet hatte, wirkte Cerwin nur wie ein unreifes Jüngelchen.
Der Vergleich ärgerte sie. Irgendwie schmälerte das ihre Eroberung. Er packte ihre Hände und wagte es, ihre Handflächen zu küssen, bevor er sie losließ.
»Das dürft Ihr nicht«, murmelte sie. »Ihr wisst doch, dass ich einem anderen versprochen bin.«
»Ich werde niemals zulassen, dass er Euch bekommt!«, schwor er.
Sie schüttelte den Kopf. »Dafür ist es zu spät. Die Nachrichten, die Euer Bruder uns heute Abend brachte, haben mir das klargemacht.« Sie wandte den Kopf und starrte mit leerem Blick in den nächtlichen Wald. »Ich habe keine andere Wahl, als mein Schicksal zu erfüllen. Das Leben meines Vaters hängt davon ab.«
Er sprang auf. »Was sagt Ihr da?« Es war ein leiser Schrei. »Welche Neuigkeiten…? Mein Bruder hat sie Euch überbracht? Das Leben Eures Vaters…? Ich verstehe nicht…«
Ihre Stimme klang gepresst, und diesmal war sie wirklich den Tränen nahe. »Piraten haben unser Familienschiff gekapert.
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