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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Rücken, als sie endlich den Rand der Lichtung erreichten. Dedge stieß einen erstaunten Fluch aus. Die Frau murmelte ein Gebet. Kennit achtete nicht auf sie.
    Vor ihm erstreckte sich ein ordentlicher Garten, der in wohl gepflegten Reihen angelegt war. Hühner gackerten in einem kleinen Hühnerstall. Irgendwo muhte laut eine Kuh. Hinter dem Garten befanden sich sechs kleine Häuser, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Fünf der Reetdächer waren zusammengesackt. Aus dem Schornstein des letzten, das noch ein intaktes Dach hatte, drang der Rauch. Hinter den Häusern waren das Obergeschoss und das geschindelte Dach eines größeren Hauses zu sehen. Früher einmal war es ein kleiner, blühender Grundbesitz gewesen. Nur diese Hand voll Häuser waren noch davon übrig geblieben. Es hatte Jahre sorgfältiger Planung gekostet, und die ganze Siedlung war mit liebevoller Genauigkeit angelegt worden. Es war eine geordnete, ordentliche Welt gewesen, die speziell für ihn gemacht war. Doch das alles war vor ihrer Entdeckung durch Igrot den Schrecklichen gewesen. Kennit nahm den Anblick in sich auf. Etwas rührte sich in ihm, aber er erstickte es, bevor das Gefühl deutlich werden konnte.
    Er holte tief Luft. »Mutter!«, rief er. »Mutter, ich bin zu Hause!«
    Zwei Atemzüge lang geschah nichts. Dann schwang langsam eine Tür auf. Eine grauhaarige Frau steckte den Kopf heraus. Sie kniff im Morgenlicht die Augen zusammen, als sie über den Hof blickte. Schließlich sah sie sie am anderen Ende des Gartens. Sie hob eine Hand zum Hals, riss die Augen auf und machte eine kurze Handbewegung, die wohl böse Geister vertreiben sollte. Kennit seufzte gereizt. Er tastete sich durch den Garten, und seine Krücke und sein Holzbein sanken tief in die weiche Erde ein. »Ich bin's, Mutter. Kennit. Dein Sohn.«
    Wie immer ärgerte ihn ihre Vorsicht. Er hatte den Garten schon fast zur Hälfte durchquert, als sie schließlich ganz aus der Tür trat. Sie war barfuß, bemerkte er angewidert, und trug ein Baumwollwams und eine Hose. Ihr hochgestecktes Haar hatte die Farbe von Holzasche. Sie war noch nie sonderlich schlank gewesen und hatte mit den Jahren immer mehr angesetzt. Ihre Augen verrieten ihr Erstaunen, als sie ihn endlich erkannte. Sie trottete nicht gerade graziös auf ihn zu. Und er musste die Demütigung ihrer weichen Umarmung über sich ergehen lassen. Sie weinte schon, bevor sie ihn erreichte. Immer wieder deutete sie auf sein fehlendes Bein und schnatterte fragend und voller Trauer auf ihn ein.
    »Ja, ja, Mutter, es ist schon gut. Lass es gut sein.« Sie klammerte sich weinend an ihn. Schließlich packte er ihre Hände und schob sie von sich weg. »Lass es gut sein.«
    Vor Jahren hatte man ihr die Zunge herausgeschnitten. Obwohl er nichts damit zu tun gehabt und es damals auch ernsthaft bedauert hatte, musste er mit der Zeit einsehen, dass dieser Vorfall nicht vollkommen unglücklich war. Sie redete immer noch unablässig oder versuchte es zumindest, aber seit dem Vorfall konnte er die Unterhaltung dorthin lenken, wo er sie haben wollte. Er entschied, wann ein Thema beendet war. So wie jetzt.
    »Ich kann leider nicht lange bleiben, aber ich habe dir einige Dinge mitgebracht.« Er drehte sie entschlossen um und führte seine vor Ehrfurcht beinahe erstarrte Prozession zu dem heilen Häuschen. »In der Kiste sind einige Geschenke für dich. Ein paar Blumensamen, die du vielleicht magst, einige Gewürze zum Kochen, Stoffe und Gobelins. Ein bisschen hiervon und ein bisschen davon.«
    Sie kamen an die Tür des Hauses und traten ein. Es war makellos sauber. Und beinahe kahl. Auf dem Tisch lagen geglättete Kiefernbretter. Pinsel und Farben waren daneben angeordnet. Also malte sie immer noch. Die Arbeit vom Vortag trocknete auf dem Tisch. Es war eine Feldblume, die äußerst naturgetreu dargestellt war. Ein Wasserkessel blubberte auf dem Herd. Durch die Tür zum zweiten Raum sah er das ordentlich gemachte Bett. Wohin er auch blickte, alles kündete von einem einfachen und friedlichen Leben. Sie hatte es immer so gemocht. Sein Vater dagegen hatte Pracht und Abwechslung geliebt. Sie hatten sich sehr gut ergänzt. Jetzt war sie wie eine halbe Person. Der Gedanke regte ihn plötzlich unglaublich auf. Er drehte sich um, packte Ankle bei den Schultern und schob das Mädchen vorwärts.
    »Ich habe oft an dich gedacht, Mutter. Sieh, das ist Ankle. Sie ist jetzt deine Dienerin. Sie ist nicht sehr klug, aber sie scheint sauber und willig zu sein.

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