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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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drehte sich um und ging hinaus.
    Die Kartenvisagen warteten draußen auf ihn. Havens Gesicht zeigte Unglauben und Verzweiflung. »Das könnt Ihr nicht tun! Ihr könnt mich hier nicht aussetzen!«
    Kennit schüttelte den Kopf. Er hatte es satt, dass die Leute ihm sagten, dass er nicht tun konnte, was er offensichtlich doch zu tun in der Lage war. Er sah nicht einmal zu den anderen zurück, während er zu dem großen Haus voranging. Der mit Kieseln bestreute Weg war überwuchert, und die Blumenbeete waren schon lange dem Wildwuchs zum Opfer gefallen. Er sagte zu den Kartenvisagen: »Ich möchte, dass dies hier gesäubert wird. Wenn ihr nichts von Gärtnerei versteht, fragt meine Mutter um Rat. Sie weiß eine Menge darüber.« Als sie zur Vorderseite des Hauses kamen, sah er absichtlich nicht auf die Reste der anderen Gebäude. Es war sinnlos, an der Vergangenheit zu hängen. Gras und Efeu hatten die verbrannten Reste schon vor langer Zeit überwuchert und unter sich begraben. Sollte es so bleiben.
    Selbst das große Haus hatte bei dem Überfall, der vor langer Zeit stattgefunden hatte, einigen Schaden genommen. Es gab Brandflecken an den mit Holz verkleideten Wänden, wo die Flammen aus den Nebengebäuden gedroht hatten auch dieses Haus in Brand zu setzen. Es war eine schreckliche Nacht voller Flammen und Schreie gewesen, als die angeblichen Verbündeten ihre wahren Absichten kundtaten. Eine Orgie der Gewalt, in der Igrot der Schreckliche bis an seine Grenzen gegangen war. Der Geruch von Rauch und Blut dieser Nacht war für immer in seine Erinnerungen eingebrannt.
    Er stieg die Treppe hinauf. Die Vordertür war nicht verschlossen. Sie war noch nie verschlossen gewesen. Sein Vater hatte nicht an Schlösser geglaubt. Er öffnete die Tür und trat ein. Einen Moment täuschte ihn seine Erinnerung und zeigte ihm das Innere so, wie es einmal gewesen war. Bildung und viele Reisen hatten seitdem seinen Geschmack verfeinert, aber als Kind hatte er das Durcheinander aus Gobelins, Teppichen und Statuen luxuriös und prächtig gefunden. Jetzt hätte er eine solche Mixtur aus Müll und Schätzen verspottet, aber damals hatte sein Vater es genossen – und sein Sohn Kennit ebenfalls. »Du wirst leben wie ein König, Junge«, hatte sein Vater gesagt. »Nein, noch besser. Du wirst ein König werden. König Kennit von der Schlüsselloch-Insel. Klingt das nicht schön? König Kennit, König Kennit, König Kennit!« Sein Vater sang den Refrain, hob ihn in die Arme und tanzte trunken mit ihm durch den Raum. König Kennit.
    Er blinzelte. Jetzt sah er die kahlen Wände und den blanken Fußboden des Gebäudes, das nicht mehr war als ein Plantagenhaus und keineswegs das vornehme Schloss, für das sein Vater es ausgegeben hatte. Kennit hatte oft mit dem Gedanken gespielt, das Haus neu zu möblieren. In den Räumen im Obergeschoss befanden sich mehr als genug Möbel und Kunstwerke, um die frühere geschmacklose Pracht des Gebäudes bei weitem in den Schatten zu stellen. Es war seine eigene sorgfältig ausgewählte Sammlung, das Beste aus seinen Schätzen, die er hier heimlich Stück für Stück zusammengetragen hatte. Aber das wollte er gar nicht. Nein. Er würde es mit dem ausstatten, was Igrot ihnen gestohlen hatte. Dieselben Gemälde, dieselben Gobelins und Teppiche, Stühle und Kerzenleuchter. Eines Tages, wenn der Zeitpunkt günstig war, würde er all das suchen, es zurückbringen und es wieder so aufbauen, wie es gewesen war. Er würde es richtig machen. Er hatte sich das öfter geschworen, als er sich erinnern konnte, und jetzt lag die Erfüllung dieses Versprechens in greifbarer Nähe. Alles, was Igrot jemals gestohlen hatte, gehörte jetzt rechtmäßig ihm. Er lächelte kalt. König Kennit, in der Tat!
    Seine Mutter wollte nichts davon. Als er noch jünger gewesen war, während seiner wilden Zeit, war er auf ihren Schoß geklettert, hatte sie fest umschlungen und versucht, ihr seine Rachepläne ins Ohr zu flüstern. Sie versuchte verzweifelt, ihn zum Schweigen zu bringen. Sie hatte nicht einmal gewagt, von Rache zu träumen. Jetzt wollte sie auch weder Luxus noch Wohlstand. Nein. Sie vertraute auf das einfache Leben, das sie schützte. Kennit wusste, was es damit auf sich hatte. Niemand konnte so wenig besitzen, dass nicht jemand anders noch etwas fand, das er ihm neidete. Armut und Einfachheit waren kein wirksamer Schutz gegen die Gier der anderen. Wenn man nichts mehr hatte, was sie einem stehlen konnten, raubten sie den Körper und

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