Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Herrn den Arm, und ebenso langsam nahm Davad ihn. Er ging ein paar Schritte und blieb dann stehen. »Nehmt ein Pferd aus meinem Stall, und reitet heim«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Soll ich Euch einen Mann mitgeben?«
»Nein, danke. Ich brauche keinen.« Sie wollte nichts mehr von ihm.
Er nickte. Dann sagte er noch etwas, aber es war zu leise, als dass sie es hätte verstehen können.
»Wie bitte?«
Er räusperte sich. »Und nehmt den Jungen mit. Stallbursche: Geh mit der Dame.« Er holte tief Luft und stieß die nächsten Worte feierlich hervor: »Du bist frei.« Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging Davad ins Haus.
Sie hatte eine Miniatur von ihm. Sie hatte ihn kurz nach ihrer Hochzeit gebeten, dafür zu sitzen. Er hatte gesagt, dass es eine närrische Idee wäre, aber sie war nun mal seine Frau, und also gab er nach. Er war nicht besonders erfreut darüber gewesen, sitzen zu müssen. Und Pappas war ein zu ehrlicher Künstler, um Kyle Haven mit geduldigen Augen zu malen oder die steile Falte des Unmuts zwischen seinen Brauen zu kaschieren. Als Keffria jetzt also Kyles Porträt ansah, blickte er ihr so entgegen, wie er immer dreingeschaut hatte. Gereizt und ungeduldig.
Sie versuchte, die Schichten der Kränkungen in ihrem Herzen zu durchstoßen, um noch so etwas wie Liebe für ihn zu entdecken. Er war ihr Ehemann, der Vater ihrer Kinder. Er war der einzige Mann, den sie jemals gehabt hatte. Trotzdem konnte sie nicht aufrichtig behaupten, dass sie ihn liebte. Eigenartig. Sie vermisste ihn und sehnte sich nach seiner Rückkehr. Und zwar nicht nur deshalb, weil seine Rückkehr auch die Rückkehr ihres Sohnes und des Familienschiffes verhieß. Sie wollte Kyle um seinetwillen. Manchmal war es wichtiger, jemand Starken zu haben, auf den man sich verlassen konnte, als jemanden, den man liebte. Trotzdem musste sie die Angelegenheiten zwischen sich und ihm klären. In den Monaten, die er jetzt schon unterwegs war, hatte sie entdeckt, dass sie ihm einige Worte zu sagen hatte. Sie würde ihn zwingen, sie zu respektieren, so wie sie auch gelernt hatte, Respekt von ihrer Mutter und ihrer Schwester zu fordern. Sie wollte nicht, dass er aus ihrem Leben verschwand, bevor sie ihm diesen Respekt abgerungen hatte. Wenn sie ihn nicht bekam, dann würde sie sich immer fragen, ob sie diesen Respekt überhaupt verdient hatte.
Sie schloss die kleine Dose mit der Miniatur und stellte sie in das Regal zurück. Sie sehnte sich danach, schlafen zu gehen, würde es aber erst tun, wenn Althea sicher zu Hause war. Keffria hatte festgestellt, dass ihre Gefühle für ihre Schwester denen ähnelten, die sie für Kyle empfand. Jedes Mal, wenn sie glaubte, Althea und sie hätten so etwas wie schwesterliche Nähe aufgebaut, zeigte Althea, dass es ihr nur um sich selbst ging. Heute bei der Versammlung hatte sie deutlich klargemacht, dass es ihr um das Schiff ging, nicht um Kyle oder um Wintrow. Sie wollte das Schiff wieder in Bingtown haben, damit sie Keffria das Besitzrecht streitig machen konnte. Das war alles.
Sie verließ ihr Schlafzimmer und wanderte wie ein Gespenst im Haus umher. Selden schlief fest, als sie in sein Zimmer spähte, ungeachtet all der Probleme, die seine Familie hatte. An Maltas Tür klopfte sie zunächst leise. Aber niemand antwortete. Malta schlief ebenfalls tief und fest, wie ein Kind. Sie hatte sich bei der Versammlung so gut benommen. Auf der Heimfahrt hatte sie keine Bemerkungen über den Aufruhr gemacht, sondern beiläufig mit Grag Tenira geplaudert. Das Mädchen wurde erwachsen.
Keffria ging die Treppe hinunter. Sie wusste, dass ihre Mutter im Arbeitszimmer ihres Vaters sein würde. Ronica Vestrit würde ebenfalls erst schlafen, nachdem Althea zurückgekommen war. Und wenn sie schon aufbleiben mussten, dann konnten sie das auch zusammen tun. Als sie durch den Flur ging, hörte sie leise Schritte auf der Veranda. Das musste Althea sein. Keffria runzelte verärgert die Stirn, als sie klopfte. Warum ging sie nicht einfach zu der unverschlossenen Küchentür? »Ich mache schon auf«, rief sie ihrer Mutter zu und öffnete die große Haustür.
Brashen Trell und diese Perlenmacherin standen auf der Veranda. Er trug dieselbe Kleidung wie letztes Mal. Und seine Augen waren blutunterlaufen. Die Perlenmacherin wirkte sehr gefasst. Ihre Miene war freundlich, aber sie schien sich nicht für die späte Stunde entschuldigen zu wollen. Keffria starrte sie beide an. Das verletzte alle Grenzen der Höflichkeit. Es war
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