Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
drängte Amber.
»Dann muss er mir eine Frage stellen. Oder irgendwas sagen.«
»Etwas wie: ›Los, unter den Balken!‹ Oder eher wie: ›Reich mir mal den Hammer!‹?«, fragte Amber scheinheilig.
Althea lächelte kläglich. »Genau. Irgendwas, das mich daran erinnert, wie wir geredet haben, als wir noch Freunde waren. Ich vermisse es. Ich wünschte, wir könnten wieder so sein.«
»Warum kannst du das nicht?«
»Das wäre nicht richtig.« Sie runzelte unwillkürlich die Stirn. »Es gibt jetzt Grag, und…«
»Und was?«
»Und ich fürchte, es könnte zu mehr führen. Selbst wenn nicht, würde Grag das nicht gefallen.«
»Grag würde es nicht gefallen, wenn du Freunde hättest?«
Altheas Miene verfinsterte sich. »Du weißt genau, was ich meine. Grag würde es nicht gern sehen, wenn ich mit Brashen Trell befreundet wäre. Ich meine, wie wir einmal befreundet waren. Unkompliziert, Füße hoch und ein Bier auf den Tisch.«
Amber lachte leise. »Althea, sehr bald werden wir alle auf diesem Schiff segeln. Glaubst du, dass du vornehm mit jemandem umgehen wirst, mit dem du jeden Tag zusammen arbeitest?«
»Sobald wir segeln, wird er nicht mehr Brashen sein. Dann ist er der Kapitän. Das hat er mir schon deutlich zu verstehen gegeben. Niemand ist der Kumpel vom Käpt'n.«
Amber neigte den Kopf und sah zu Althea hoch. »Warum machst du dir dann Sorgen darüber? Ich habe den Eindruck, als würde die Zeit alles heilen.«
Althea antwortete sehr leise. »Vielleicht will ich ja nicht, dass es geheilt wird. Jedenfalls nicht so.« Sie betrachtete ihre Hände. »Vielleicht brauche ich Brashens Freundschaft ja dringender als Grags Billigung.«
Amber zuckte mit den Schultern. »Dann solltest du vielleicht wieder anfangen, mit ihm zu reden. Und mehr sagen als: ›Hier ist der Hammer.‹«
22. Herzenswendungen
Viviace schäumte vor Wut. Wintrow fühlte sich, als wäre er mitten in einem Topf, der überzukochen drohte und alle verbrühte. Das Schlimmste war, dass er sie einfach nicht beruhigen konnte. Sie würde es nicht zulassen, dass man sie beruhigte.
Mittlerweile ging das schon fast einen Monat so. Wintrow spürte in ihr die rachsüchtige Zielstrebigkeit eines Kindes, dem man gesagt hatte, es wäre zu klein, um etwas zu schaffen. Viviace war entschlossen, sich selbst zu beweisen – und nicht nur gegenüber Kennit. Ihre trotzige Begeisterung schloss auch Wintrow mit ein. Seit Opal auf ihrem Deck gestorben war, war ihre Entschlossenheit nur stärker geworden. Sie würde Piratin werden. Und je mehr Wintrow versuchte, ihr das auszureden, desto starrsinniger wurde sie. Noch mehr Sorgen machte ihm, dass sie sich immer weiter von ihm zurückzog. Sie griff so stark nach Kennit, dass sie Wintrow allein ließ.
Kennit spürte ihren inneren Aufruhr. Er war sich sehr wohl der Gefühle bewusst, die er in ihr aufgerührt hatte. Der Pirat ignorierte sie keineswegs. Er sprach freundlich mit ihr und behandelte sie höflich. Aber er machte ihr nicht mehr den Hof. Stattdessen schenkte er jetzt Etta seine ganze Zuneigung, und sie blühte zusehends auf. Er hatte sie entzündet wie ein Funke den Kienspan. Sie ging über das Deck wie eine herumstreunende Tigerin auf der Jagd, und alle sahen ihr unwillkürlich nach. Es gab nur wenige andere Frauen an Bord. Kennit hatte einigen der befreiten Frauen gestattet, an Bord der Viviace zu bleiben. Aber im Gegensatz zu Etta wirkten sie eher bescheiden. Was Wintrow am meisten verwirrte, war, dass er die Veränderung in ihr gar nicht genau beschreiben konnte. Sie kleidete sich wie immer. Obwohl Kennit ihr Schmuck gegeben hatte, trug sie nur selten mehr als den winzigen, kleinen Ohrring. Stattdessen war es, als wäre die Asche von der Kohle geweht und das Feuer sichtbar geworden, das darin glühte. Sie arbeitete immer noch auf Deck, und sie hetzte immer noch wie ein Panter in die Takelung. Sie redete und lachte immer noch mit den Männern, während ihre Nadel in der Sonne aufblitzte. Sie war so scharfzüngig wie immer, und ihr Humor war genauso bissig. Aber wenn sie Kennit anblickte, selbst quer über das ganze Deck, schien sich ihr Leben zu vervielfachen. Kapitän Kennit seinerseits schien sich in ihrer Verherrlichung zu sonnen. Er konnte nicht an ihr vorbeigehen, ohne sie zu berühren. Selbst der abgebrühte Sorcor errötete, wenn er die beiden an Deck sah. Wintrow betrachtete sie neiderfüllt und staunend. Und zu seinem Ingrimm sah Kennit ihn immer fragend an oder zwinkerte ihm sogar zu, wenn er
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