Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Landbesitz entwickelte sich gut, aber wir konnten nicht mit Chalceds Sklavenarbeitern auf den Getreidefeldern und Obstplantagen mithalten. Folglich haben wir immer noch beträchtliche Schulden. Außerdem dient unser Landbesitz als Bürgschaft. Wenn wir unsere Raten nicht abzahlen können, verlieren wir möglicherweise sowohl das Schiff als auch unser Kernland.«
»Und ihr seid ebenfalls Geiseln für diese Schulden«, meinte Grag ruhig. Als Mitglied einer Händlersippe aus Bingtown, die selbst ein Zauberschiff besaß, kannte er die Bedingungen für diesen Handel natürlich sehr genau. Zauberschiffe waren selten und kostspielig. Ebenso wie ein Lebensschiff erst nach drei Generationen erwachte und Bewusstsein entwickelte, brauchte es auch mehrere Generationen, um eines abzubezahlen. Nur die Regenwildnis-Händler kannten die Quelle für diese Hexenholzstämme, aus denen der Rumpf und die Galionsfiguren der Schiffe bestanden. Und nur in einem Schiff aus Hexenholz konnte man sicher auf dem Regenwild-Fluss segeln und Handel mit den magischen Waren treiben. Deren Wert war so hoch, dass die Familien gern ihr Vermögen dafür verpfändeten. »In Blut oder Gold, die Schuld ist geschuldet«, fügte Grag ruhig hinzu. Falls die Vestrit-Familie nicht in barer Münze für das Schiff zahlen konnte, würde stattdessen eine Tochter oder ein Sohn der Familie als Zahlung genommen werden.
Althea nickte langsam. Merkwürdig. Sie hatte natürlich gewusst, dass die Bedingungen dieses Vertrags auch für sie galten, seit sie als eine Frau betrachtet wurde, aber irgendwie hatte sie es nie auf sich bezogen. Ihr Vater war ein großartiger Kaufmann gewesen. Er hatte immer dafür gesorgt, dass genug Geld in der Haushaltskasse war, damit die gerechten Schulden bezahlt werden konnten. Wer wollte sagen, wie es weitergehen würde, jetzt, da ihr Schwager Kyle für das Familienschiff und die Finanzen der Vestrits verantwortlich war? Der Ehemann ihrer Schwester hatte sie nie gemocht. Als sie das letzte Mal in einem Zimmer gewesen waren, bei diesem letzten fürchterlichen Familienstreit, hatte er gesagt, dass es ihre Pflicht wäre, gut zu heiraten und aufzuhören, der Familie zur Last zu fallen. Vielleicht war es genau das, was er im Sinn gehabt hatte. Wenn sie freiwillig einen Regenwild-Mann heiratete, konnte die Familie sich über eine Linderung ihrer Schulden freuen.
Seit sie ein kleines Kind gewesen war, hatte man ihr die Pflichten der Familienehre eingehämmert. Ein Bingtown-Händler bezahlte seine Schulden und hielt sein Wort. Ganz gleich, wie ihre persönlichen Streitigkeiten aussahen, sobald ein Außenstehender sie bedrohte, standen die Händler Schulter an Schulter zusammen. Diese Bande der Verwandtschaft und der Pflicht schlossen auch die Händler mit ein, die in der Regenwildnis geblieben waren und sich dort niedergelassen hatten. Die Entfernung und die Zeit mochten sie vielleicht trennen, aber die Regenwild-Händler waren immer noch die Verwandten der Bingtown-Händler. Die Verträge mit ihnen wurden eingehalten, und die Familienpflichten wurden respektiert. Sie fühlte, wie etwas in ihr hart und kalt wurde. Falls es Kyle nicht gelang, die Verpflichtungen der Familie zu erfüllen, war es ihre Pflicht, sich selbst anzubieten. Fruchtbarkeit war etwas, woran es dem Regenwild-Volk mangelte. Sie würde zu den Regenwild-Händlern gehen, sich dort einen Ehemann suchen und ihm Kinder gebären müssen. Das hatten ihre Vorfahren gelobt, vor langer, langer Zeit. Es nicht zu tun war einfach undenkbar. Aber es war auch unerträglich, sich von Kyles Bösartigkeit oder Unfähigkeit hineintreiben zu lassen.
»Althea? Geht es Euch gut?«
Grags Stimme riss sie aus ihren Gedanken und holte sie zurück in die Gegenwart. Sie stand da und starrte auf ein Schott. Althea schüttelte sich und drehte sich zu Grag um. »Ich bin eigentlich gekommen, um Euch um Euren Rat zu bitten. Ich habe Probleme mit einem der Matrosen. Und ich kann nicht entscheiden, ob ich es persönlich nehmen soll oder nicht.«
Der besorgte Ausdruck auf Grags Miene verstärkte sich. »Um wen handelt es sich?«
»Feff.« Althea schüttelte den Kopf. »Eben noch hört er zu und reagiert sofort, wenn ich einen Befehl gebe, und im nächsten Augenblick sieht er mich an und grinst blöd. Ich weiß nicht, ob er mich verhöhnt oder…«
»Ach so.« Grag grinste. »Feff ist auf dem linken Ohr taub. Oh, sicher, das wird er niemals zugeben. Es ist passiert, als er vor zwei Jahren vom Mast gefallen ist.
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