Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
schätzen weiß, aber es muss sehr langweilig sein, so zu tun, als wäre er krank. Und nur damit ich die Chance bekomme, seine Position einzunehmen. Ich habe viele Gründe, ihm dankbar zu sein.«
»Merkwürdig. Du hast ihm diese Dankbarkeit aber noch nicht gezeigt.« Zum ersten Mal schwang ein kühler Unterton in der Stimme des Schiffes mit.
»Ophelia!« Althea stöhnte. »Bitte, fang nicht schon wieder damit an. Du willst doch nicht, dass ich Gefühle für Grag heuchle, die ich nicht empfinde, oder?«
»Ich kann einfach nicht verstehen, warum du diese Gefühle nicht hast, das ist alles. Bist du sicher, dass du dich nicht selbst betrügst? Sieh dir Grag doch an. Er sieht gut aus, hat Charme, Intelligenz, ist freundlich und ein Gentleman. Ganz zu schweigen davon, dass er aus einer Bingtowner Händlerfamilie stammt und ein respektables Vermögen erben wird. Ein Vermögen, das ein großartiges Lebensschiff beinhaltet, darf ich vielleicht noch hinzufügen. Was kannst du mehr von einem Mann erwarten?«
»Er ist all das und noch mehr. Das habe ich dir schon vor einigen Tagen gesagt. Ich habe weder an Grag Tenira noch an seinem großartigen Lebensschiff etwas auszusetzen.« Althea lächelte die Galionsfigur an.
»Dann musst du ein Problem haben«, verkündete Ophelia unerbittlich. »Warum fühlst du dich nicht zu ihm hingezogen?«
Althea biss sich auf die Zunge. Als sie antwortete, klang ihre Stimme sehr vernünftig. »Auf eine bestimmte Art und Weise fühle ich mich zu ihm hingezogen. Trotzdem, im Moment passiert so viel in meinem Leben, dass ich es mir nicht leisten kann… Ich habe einfach nicht die Zeit, um mir über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen. Du weißt genau, was mich erwartet, wenn wir nach Bingtown zurückkommen. Ich muss mich mit meiner Mutter versöhnen, falls das möglich ist. Und da gibt es auch noch ein anderes großartiges Lebensschiff, das mir im Kopf herumgeht. Ich muss meine Mutter dazu bringen, mich zu unterstützen, wenn ich versuche, mir die Viviace von Kyle zurückzuholen. Sie hat gehört, wie er bei Sa geschworen hat, mir das Schiff zurückzugeben, wenn ich mich als Seemann beweisen würde. Ganz gleich, wie aufgebracht er war, als er das sagte, ich habe vor, ihn dazu zu bringen, diesen Schwur einzuhalten. Ich weiß, dass es einen hässlichen Kampf geben wird, wenn ich ihn zwingen will, mir die Viviace zu übergeben. Darauf muss ich mich konzentrieren.«
»Glaubst du nicht, dass Grag in einem solchen Kampf ein mächtiger Verbündeter sein könnte?«
»Würdest du es für ehrenvoll halten, wenn ich seine Avancen nur deshalb ermutige, um ihn als Werkzeug zu benutzen, mein Schiff zurückzugewinnen?« Jetzt war Altheas Stimme kühl.
Ophelia lachte. »Aha. Also hat er bereits Annäherungsversuche unternommen. Ich habe mir schon Sorgen um den Jungen gemacht. Erzähl mir alles davon.« Sie sah Althea forschend an.
»Schiff!«, warnte Althea, aber nach einem Moment musste sie unwillkürlich in das Lachen des Schiffes einstimmen. »Willst du tatsächlich so tun, als wüsstest du nicht genau, was hier an Bord vorgeht?«
»Hm«, meinte Ophelia. »Vielleicht weiß ich das Meiste, was in den Kajüten und unter Deck passiert. Aber nicht alles.« Sie hielt inne und fuhr dann fort: »Gestern herrschte in seinem Quartier ein langes Schweigen. Hat er da versucht, dich zu küssen?«
Althea seufzte. »Nein, natürlich nicht. Grag ist dafür viel zu gut erzogen.«
»Ich weiß. Umso schlimmer.« Ophelia schüttelte den Kopf. Sie schien vergessen zu haben, mit wem sie sprach, als sie weiterredete. »Der Junge braucht etwas mehr Feuer. Nett ist ja ganz schön, aber es gibt auch Momente, in denen ein Mann ein bisschen rücksichtsloser sein sollte, damit er bekommt, was er will.« Sie neigte den Kopf und sah Althea an. »Wie Brashen Trell zum Beispiel.«
Althea stöhnte. Das Schiff hatte ihr seinen Namen vor einer Woche aus der Nase gezogen, und seitdem gab sie keine Ruhe. Wenn sie nicht wissen wollte, was mit Grag nicht stimmte und warum Althea nicht verrückt nach ihm war, dann piesackte sie sie mit Fragen nach allen schmutzigen Einzelheiten ihrer kurzen Affäre mit Brashen. Althea wollte nicht über den Mann nachdenken. Ihre Gefühle zu diesem Thema waren zu verworren. Je mehr sie zu dem Schluss kam, dass sie mit ihm fertig war, desto stärker drängte er sich in ihre Gedanken. Sie malte sich all die schlauen Sachen aus, die sie ihm bei ihrer letzten Begegnung hätte sagen sollen. Er war so grob
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