Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
geschäftigen Haushalt. Als die Sklavin eintrat, sah Ronica sofort, warum sie gekommen war. Nur ein Besuch von Davad Restate konnte einen derartig hasserfüllten Ausdruck im Blick der Sklavin hervorrufen. Rache gab ihm immer noch die Schuld an dem Tod ihres Kindes auf Davads Sklavenschiff. Jede Erwähnung des Händlers erweckte diesen Blick in ihren Augen. Nur bei diesen Gelegenheiten wirkte die junge Sklavin wirklich lebendig. Obwohl Ronica seufzte und flehte: »Bitte nicht«, wusste sie, dass der Mann bereits im Wohnzimmer wartete.
»Es tut mir Leid, Madam«, sagte Rache beinahe tonlos. »Es ist der Händler Restate. Er hat darauf bestanden, Euch zu sehen.«
»Schon gut«, erwiderte Ronica mit einem noch tieferen Seufzer. Sie stand auf. »Ich komme herunter, sobald ich angezogen bin. Nein. Du brauchst nicht zu ihm zu gehen und es ihm sagen. Wenn er sich nicht die Mühe macht, uns mit einem Läufer von seinem Besuch zu unterrichten, dann kann er auch warten, bis ich fertig bin. Hilf mir bitte beim Anziehen.«
Sie versuchte, einen Witz über Davad zu machen, den sie beide teilen konnten, aber Rache verzog keine Miene. Er hatte Rache im Haushalt der Vestrits untergebracht, als Ephron im Sterben lag; angeblich, um zu helfen. Ronica jedoch vermutete, dass er es getan hatte, um sich endlich Raches mörderische Blicke vom Hals zu schaffen. Rechtlich gesehen gehört sie wohl immer noch ihm, dachte Ronica. Sie ist eine Sklavin und untersteht jamaillianischem Recht. Bingtown akzeptierte keine Sklaverei. Hier wurden die Sklaven geziert »Vertragsdiener« genannt. Es gab in letzter Zeit viele »Vertragsdiener« in Bingtown. Ronica behandelte sie so, wie sie jede angestellte Dienerin auch behandelt hätte.
Ronica ließ sich Zeit bei der Auswahl ihrer Garderobe und entschied sich schließlich für ein blassgrünes Leinenkleid. Es war schon so lange her, dass sie etwas anderes als ein weites Hauskleid getragen hatte. Sie kam sich merkwürdig nackt darin vor, obwohl die Röcke um ihre Hüfte eine Schärpe hatten und die Bluse mit Spitze besetzt war. Sie blieb stehen und betrachtete sich im Spiegel. Nun, sie sah nicht gerade schön aus. Und auch nicht jung. Aber sie wirkte wieder so, wie sich die Matriarchin einer Bingtown-Händlersippe präsentieren sollte. Sie wirkte sowohl gepflegt als auch würdevoll. Sie blieb vor ihrem Schmuckkasten stehen, legte sich eine Perlenkette um und hängte sich auch Perlen an die Ohren. So. Sollte dieses kleine Biest doch noch einmal andeuten, dass sie eine langweilige alte Frau war.
Sie drehte sich um und sah, wie Rache sie mit großen Augen anstarrte. Ronica fühlte sich von der Verblüffung der Dienstbotin beinahe geschmeichelt. »Ich werde Davad jetzt empfangen. Bringst du bitte Kaffee und einfache Kekse aus der Küche? Nichts Besonderes. Ich möchte ihn nicht auch noch ermutigen.«
»Ja, Madam.« Rache deutete einen Knicks an und verschwand.
Ronicas Röcke raschelten, als sie den langen Flur zum Wohnzimmer entlangging. Die Perlen fühlten sich kühl auf ihrer Haut an. Es war merkwürdig, wie ein Wechsel der Garderobe und ein bisschen Achtsamkeit auf ihre Erscheinung ihr Selbstgefühl veränderten. Sie empfand immer noch tiefe Trauer um Ephron, genauso, wie ihre Wut über all das, was ihnen seit seinem Tod widerfahren war, noch spürbar war. Sie hatten den ganzen Winter über versucht, alle Schläge zu meistern, wie sie kamen. Und es hatte sie erschüttert, feststellen zu müssen, dass ihr Vertrauen in ihren Schwiegersohn ein Irrtum gewesen war. Kyles Gier hatte Althea vertrieben, und sein rücksichtsloses Streben nach Kontrolle hatte Keffria geradezu paralysiert. Die Entdeckung, dass seine Tochter Malta anscheinend vorhatte, in seine Fußstapfen zu treten, war ebenfalls entnervend gewesen. Noch vor ein paar Monaten hatte Keffria versprochen, Malta in den Griff zu bekommen und sie zu ändern. Ronica stieß missbilligend die Luft durch die Nase. Bis jetzt war die einzige Veränderung die, dass Malta noch hinterlistiger wurde.
Vor der Tür zum Salon blieb sie stehen und schob diese Gedanken energisch beiseite. Sie riss sich zusammen, glättete ihre Stirn und setzte einen erfreuten Gesichtsausdruck auf. Dann straffte sie Rücken und Schultern, öffnete die Tür und betrat den Raum. »Guten Morgen, Davad. Was für eine Überraschung, dass Ihr einfach so vorbeischaut.«
Er hatte ihr den Rücken zugewandt und blätterte in einem Buch, das er aus dem Regal genommen hatte. Mit seinem breiten
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