Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Hintern, der das blaue Jackett spannte, erinnerte er Ronica an einen Käfer. Er klappte das Buch zu und antwortete, während er sich umdrehte: »Es ist keineswegs überraschend, Ronica, sondern höchst ungehobelt. Selbst als Stümper, was gesellschaftliche Formen angeht, weiß ich, dass ich vorher hätte fragen sollen, ob Ihr mich empfangen wollt. Aber da ich wusste, dass Ihr nein sagen würdet, musste ich… Ronica! Ihr seht großartig aus!«
Er musterte sie ziemlich ungeniert, und sie errötete unerwarteterweise. Ein Lächeln erschien auf seinem runden, groben Gesicht.
»Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, Euch in langweiligen Kleidern zu sehen, dass ich fast vergessen habe, wie Ihr wirklich ausseht. An dieses Kleid kann ich mich noch erinnern. Es ist ziemlich alt, stimmt's? Habt Ihr das nicht bei der Feier getragen, bei der Ihr die Vermählung von Keffria mit Kyle bekanntgegeben habt? Es macht Euch um Jahre jünger. Ihr müsst sehr stolz darauf sein, dass Ihr Euch noch hineinzwängen könnt.«
Ronica schüttelte den Kopf über ihren alten Freund. »Davad Restate. Nur Ihr seid imstande, so viele Komplimente in einer so kurzen Rede so gründlich zu ruinieren.« Er starrte sie völlig entgeistert an. Wie so oft war ihm auch jetzt vollkommen entgangen, wie taktlos er gewesen war. Sie ging zu einem Diwan und setzte sich. »Kommt her zu mir«, lud sie ihn ein. »Ich habe Rache gebeten, Kaffee und Kekse zu bringen, aber ich muss Euch warnen. Ich habe nur wenig Zeit. Wir empfangen heute Nachmittag Reyn Khuprus. Er kommt zum ersten Mal, um Malta seine Aufwartung zu machen, und ich muss noch eine Menge vorbereiten.«
»Ich weiß«, gab er unbekümmert zu. »Ganz Bingtown klatscht darüber. Es ist ein bisschen unüblich, einem Mann zu erlauben, ihr den Hof zu machen, bevor sie als Frau in die Gesellschaft eingeführt worden ist, oder? Nicht, dass ich nicht glauben würde, sie sei soweit. Ich bin sicher, dass sie es, nach ihren Eskapaden im letzten Winter bei dem Ball… na ja. Ich kann Euch keinen Vorwurf machen, dass Ihr versucht, sie schnell zu verheiraten. Je eher das Mädchen einen Mann bekommt, der sie beruhigt, desto sicherer wird es in Bingtown sein.« Er hielt inne und räusperte sich. Zum ersten Mal wirkte er etwas unsicher. »Eigentlich bin ich auch genau deswegen hier. Um Euch um einen Gefallen zu bitten, und zwar um einen sehr großen, wie ich fürchte.«
»Ihr wollt mich um einen Gefallen bitten, und der hat etwas mit Reyns Besuch zu tun?« Ronica war sowohl verwirrt als auch misstrauisch.
»Ja. Es ist ganz einfach. Ladet mich auch ein.«
Es gelang ihr, ihn nicht verblüfft anzustarren. Glücklicherweise musste sie nicht sofort antworten, weil Rache eintrat und das Kaffeetablett hereinbrachte. Ronica schickte sie beinahe sofort wieder weg. Es war unnötig, die Dienerin dazu zu zwingen, einem Mann Kaffee einzuschenken, den sie hasste. Die kleine Zeremonie des Kaffeeeinschenkens gewährte Ronica Zeit, um nachzudenken. Davad jedoch unterbrach ihre Überlegungen, noch bevor sie ihre höfliche Ablehnung beginnen konnte.
»Ich weiß, dass es sich nicht gehört, aber ich habe mir überlegt, wie man es umgehen könnte.«
Ronica beschloss, offen zu sein. »Davad, ich will aber keinen Weg um eine Ungehörigkeit finden. Der Khuprus-Clan ist gesellschaftlich höchst einflussreich. Und ich kann es mir im Augenblick nicht leisten, jemanden in Bingtown zu beleidigen, geschweige denn ausgerechnet den Sohn einer solchen Familie. Ihr habt nicht gesagt, warum Ihr hier sein wollt, wenn wir ihn empfangen. Traditionsgemäß ist nur die Familie des Mädchens anwesend, wenn ein junger Mann seinen ersten Anstandsbesuch macht. Das macht ihm die Sache etwas leichter, wisst Ihr.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber da Ephron nun tot ist und Kyle auf See, dachte ich, Ihr könntet mich als einen alten Freund vorstellen, der sozusagen… als eine Art Beschützer auftritt, solange die Männer Eurer Familie abwesend sind…«
Davad verstummte, als er den Ausdruck auf Ronicas Gesicht sah. Sie antwortete leise und beherrscht. »Davad, Ihr wisst sehr genau, dass ich niemals einen Mann als Beschützer gebraucht habe. Als die Mädchen noch klein waren und Ephron auf See, habe ich niemals seine Freunde bitten müssen, für ihn Geschäfte zu tätigen oder mit unerfreulichen Realitäten fertig zu werden, solange er unterwegs war. Ich habe es selbst geschafft. Ganz Bingtown weiß das. Das bin ich. Und da ich jetzt wirklich allein bin, soll ich
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