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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sorcor herüberrudern und Kennit Meldung machen konnte. Wintrow hatte keine Ahnung, warum Kennit ihn bei sich haben wollte, aber vielleicht durfte er im Raum bleiben, während Sorcor Bericht erstattete. Wintrow hatte kurz vorher Kyle untersucht, und sein Vater hatte ihn bedrängt, so viel Informationen über den Piraten zu sammeln, wie er konnte. Wintrow versuchte, die Erinnerung an diese schmerzliche Stunde aus seinem Gedächtnis zu vertreiben.
    Die Gefangenschaft und die Schmerzen hatten Kyle noch tyrannischer gemacht, und er schien zu glauben, dass Wintrow sein letzter verbliebener Untergebener war. In Wahrheit empfand der Junge ihm gegenüber keine Loyalität mehr, außer vielleicht einen Rest von Pflichtgefühl. Wintrow fand es lächerlich, als sein Vater hartnäckig darauf bestand, dass Wintrow herumspionierte und sich einen Weg ausdachte, das Schiff wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Aber er hatte nicht gelacht. Stattdessen hatte er den Mann einfach schwadronieren lassen, während er seine Verletzungen untersuchte und ihn drängte, das trockene Brot zu essen und das abgestandene Wasser zu trinken, das man ihm als Ration zugedacht hatte. Es war einfacher, die Worte nur an sich vorbeiströmen zu lassen. Wintrow hatte stets genickt, aber nur wenig darauf geantwortet. Hätte er Kyle die wahre Situation an Bord der Viviace erklärt, hätte das seinen Vater nur verärgert. Wintrow ließ ihn seinen phantastischen Traum weiterspinnen, dass sie das Schiff irgendwann wieder unter Kontrolle bekommen könnten. Es war das Einfachste. Schon bald würden sie Bullenbach erreichen, und dann mussten sie sich dem stellen, was ihnen widerfahren war. Wintrow wollte seinen Vater nicht bekämpfen, damit dieser die Realität erkannte; das würde die Realität selbst früh genug tun.
    Er klopfte an die Tür und trat ein, als Etta leise antwortete. Kennit lag wach auf dem Bett. Er drehte Wintrow den Kopf zu und begrüßte ihn mit den Worten: »Sie will mir nicht beim Aufstehen helfen.«
    »Sie hat Recht«, erwiderte Wintrow. »Ihr solltet Euch nicht aufrichten, noch nicht. Ihr solltet still liegen bleiben und Euch ausruhen. Wie fühlt Ihr Euch?« Er legte dem Piraten die Hand auf die Stirn.
    Kennit drehte den Kopf weg. »Armselig. Frag mich nicht, wie ich mich fühle. Ich lebe, was spielt es also für eine Rolle, wie ich mich fühle? Sorcor kommt mit einem neuerlichen Triumph, und ich liege hier, siech und stinkend wie ein Leichnam. Ich will mich nicht so sehen lassen. Hilf mir wenigstens, mich aufzusetzen.«
    »Das dürft Ihr nicht«, warnte ihn Wintrow. »Euer Blut ist im Moment noch ruhig. Bleibt liegen und lasst es so. Wenn Ihr Euch aufsetzt, verändert das die Gefäße Eurer Organe, und Ihr bringt Euer Blut in Bewegung, das sich dann vielleicht durch Eure Wunde ergießt. Das habe ich im Kloster gelernt.«
    »Und das habe ich an Deck gelernt: Ein Piratenkapitän, der seine Mannschaft nicht mehr aktiv führen kann, ist bald Fischfutter. Ich will sitzen, wenn Sorcor hereinkommt.«
    »Selbst wenn Euch das umbringen könnte?«, fragte Wintrow ruhig.
    »Willst du meinen Willen anfechten?«, entgegnete Kennit.
    »Nein. Nicht Euren Willen. Aber Euren gesunden Menschenverstand. Warum wollt Ihr hier in Eurem Bett sterben, nur um einen Mann zu beeindrucken, der mich allein durch seine Loyalität zu Euch beeindruckt hat? Ich glaube, Ihr schätzt Eure Mannschaft falsch ein. Sie werden sich nicht gegen Euch wenden, weil Ihr ruhen müsst.«
    »Du bist ein Weichling«, erklärte Kennit verächtlich. Er drehte den Kopf von dem Jungen weg und sah die Wand an. »Was weißt du schon von Loyalität oder davon, wie ein Schiff geführt wird? Ich sage dir eins: So will ich nicht gesehen werden.« Seine Stimme hatte einen Unterton, den Wintrow plötzlich erkannte.
    »Warum habt Ihr nicht gesagt, dass Ihr wieder Schmerzen habt? Die Kwazi-Fruchtrinde kann sie wieder eindämmen. Ihr könnt klarer denken, wenn Ihr nicht von Qualen abgelenkt werdet. Und dann könnt Ihr auch besser ruhen.«
    »Du meinst, ich bin besser lenkbar, wenn ich unter Drogen stehe«, knurrte Kennit. »Du versuchst nur, mir deinen Willen aufzuzwingen.« Er hob die zitternde Hand zu seinen Brauen. »Mein Kopf hämmert vor Schmerzen; wie kann daran mein Bein schuld sein? Ist es nicht eher ein Ergebnis von einem Gift, das du mir verabreicht hast?« Trotz seiner Erschöpfung gelang es dem Piraten, einen Ausdruck von gerissener Belustigung aufzusetzen. Offenbar vermutete er, Wintrow bei

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