Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
einer List ertappt zu haben.
Seine Worte ließen Wintrow erschrocken verstummen. Wie sollte er mit so viel Skepsis und Misstrauen umgehen? Als er antwortete, klang ihm seine Stimme kalt und förmlich in den Ohren. »Ich zwinge Euch keine Medizin auf, Sir. Wenn Euer Schmerz so groß wird, dass Ihr nach Linderung verlangt, dann ruft mich. Ich behandle Euch dann mit der Kwazi-Rinde. Bis dahin werde ich Euch nicht weiter belästigen.« Die letzten Worte sprach er über die Schulter, als er ging. »Wenn Ihr Euch aufsetzt, um Sorcor zu empfangen, wird Euer Blut strömen und unser beider Leben beenden. Aber Argumente können gegen Eure Sturheit nichts ausrichten.«
»Hört damit auf«, zischte Etta die beiden an. »Es gibt eine einfache Lösung für das Problem, die uns allen gefällt. Erlaubt Ihr, sie vorzuschlagen?«
Kennit drehte den Kopf und sah sie mit glanzlosen Augen an. »Ach ja?«, meinte er.
»Empfangt Sorcor nicht. Gebt ihm einfach nur den Befehl, nach Bullenbach zu segeln, dann folgen wir ihm. Er muss nicht erfahren, wie schwach Ihr seid. Wenn wir in Bullenbach ankommen, seid Ihr vielleicht kräftiger.«
Kennits Augen funkelten verschlagen. »Bullenbach ist zu nah«, erklärte er. »Er soll uns nach Divvytown zurückführen. Dann habe ich mehr Zeit, mich zu erholen.« Er machte eine Pause. »Aber Sorcor wird sich bestimmt wundern, weil ich seinen Bericht nicht hören will. Er wird etwas vermuten.«
Etta verschränkte die Arme vor der Brust. »Sagt ihm, dass Ihr beschäftigt seid. Mit mir.« Sie lächelte. »Schickt den Jungen mit dem Befehl zu Brig. Der kann es Sorcor ausrichten. Er wird es akzeptieren.«
»Es könnte funktionieren«, lenkte Kennit langsam ein. Er scheuchte Wintrow mit der Hand hinaus. »Geh jetzt, sofort. Sag Brig, dass ich Etta bei mir habe und nicht gestört werden will. Und überbringe ihm den Befehl, dass wir nach Divvytown segeln.« Kennit kniff die Augen zusammen. Wintrow wusste nicht, ob es Belustigung war oder Müdigkeit. »Und deute an, dass ich Brigs Können danach bemesse, wie geschickt er das Schiff auf dieser Strecke bewegt. Lass anklingen, dass es ein Test seiner Fähigkeiten ist, kein Unvermögen meinerseits.« Seine Lider sanken weiter herunter. »Warte eine Weile, bis wir unterwegs sind. Dann komm wieder her. Ich werde dich danach beurteilen, wie gut du diese Aufgabe erfüllst. Überzeuge Brig und Sorcor, und vielleicht betraue ich dich dann damit, mein Bein zu betäuben.« Kennit hatte die Augen ganz geschlossen. Leiser fügte er hinzu: »Vielleicht lasse ich dich dann leben.«
9. Bingtown
Tief im Inneren des Paragon warf sich Amber von einer Seite auf die andere, wie ein halbverdauter Schiffszwieback im Magen eines Matrosen. Ein Traum, der sie nicht aus dem Schlaf wecken konnte, verwandelte ihre Ruhe in einen Kampf unter der Bettdecke, einen Kampf mit sich selbst. Manchmal war Paragon versucht, nach ihren Gedanken zu tasten und an ihrer Not teilzuhaben, aber in den meisten Nächten war er einfach nur dankbar, dass ihre Qualen nicht die seinen waren.
Sie lebte mittlerweile an Bord, schlief nachts in seinem Inneren und bewachte ihn vor denen, die vielleicht kommen, ihn wegschleppen und zerstören wollten. Auf ihre eigene Art war sie seinem Wunsch ebenfalls nachgekommen. Sie hatte einige seiner Lagerräume belegt, allerdings nicht mit Treibholz und billigem Lampenöl, sondern mit dem Hartholz, den Ölen und Polituren ihres Handwerks. Und sie taten, als hätte sie sie nur deshalb dort gelagert, damit sie am Abend unter seinem Bug sitzen und schnitzen konnte. Sie wussten beide, dass es nur einen Augenblick dauern würde, das Holz mit dem Öl zu tränken und anzuzünden. Sie würde nicht zulassen, dass man ihn lebendig bekam.
Manchmal tat sie ihm beinahe Leid. Es war nicht leicht für sie, in der schiefen Kapitänskajüte zu leben. Mit viel Geächze hatte sie Brashens zurückgelassene Habseligkeiten aus der Kajüte geräumt. Paragon war aufgefallen, wie sorgsam sie sie behandelt hatte, bevor sie die Sachen unter Deck gebracht hatte. Jetzt hatte sie das Quartier übernommen und schlief des Nachts in seiner Hängematte. Sie kochte draußen am Strand, wenn das Wetter gut war, und aß kalt an den anderen Tagen. Wenn sie morgens zu ihrem Laden ging, nahm sie einen Wassereimer mit. Wenn sie abends zurückkam, war er randvoll, und sie hatte die Taschen mit Lebensmitteln gefüllt, die sie auf dem Markt gekauft hatte. Dann machte sie sich in seinem Inneren zu schaffen und sang
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