Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
und nur manchmal wie Drachen aussehen.«
Sie schwieg lange. Als sie schließlich antwortete, wusste er, dass sie nachgedacht hatte und dass ihre Gedanken sie zu seiner persönlichen Geschichte zurückgebracht hatten. Ihre Stimme klang gefährlich herzlich. »Warum ist es so wichtig für dein Seelenleben, dass es keine Drachen gibt? Warum bestehst du so sehr darauf, das Staunen zu vernichten, das ich beim Anblick dieser geflügelten Kreaturen empfunden habe?«
»Das ist es nicht, und das tue ich auch nicht. Ich glaube einfach nur, dass man sagen sollte, was man meint. Es ist mir egal, ob du über sie gestaunt hast. Ich glaube nur, dass du solche Dinge nicht Drachen nennen solltest.«
»Warum nicht? Wenn es keine Drachen gibt, warum ist es dann so wichtig, wie ich diese Kreaturen nenne, die ich sah? Warum sollte ich sie nicht Drachen nennen, wenn dieser Name mir gefällt?«
»Weil…« Er fühlte sich plötzlich wie in einem Netz gefangen. »Wenn es doch so etwas wie Drachen gibt, würdest du sie mit solch grotesken Gestalten entwürdigen.«
Plötzlich setzte sie sich gerade hin. Er fühlte, wie sie von ihm abrückte, und konnte beinahe ihren durchdringenden Blick spüren, mit dem sie das musterte, was das Beil von seinem Gesicht übrig gelassen hatte. »Du weißt etwas«, beschuldigte sie ihn. »Du weißt etwas über Drachen und von meinem Traum und was er bedeutet. Stimmt's?«
»Ich weiß nicht einmal, was du geträumt hast«, erklärte er. Er versuchte, seine Stimme vernünftig klingen zu lassen, aber sie wurde höher und brach. Dass ihm das aber auch immer im ungeeignetsten Moment passieren musste! »Und ich habe nie irgendwelche Drachen gesehen.«
»Nicht einmal in deinen Träumen?« Ihre leise Frage war so heimtückisch wie treibender Nebel.
»Berühr mich nicht!«, warnte er sie.
»Das hatte ich gar nicht vor«, erwiderte sie, aber er glaubte ihr nicht. Wenn sie ihn berührte, Haut an Holz, und sich genug bemühte, dann würde sie wissen, ob er log. Das war nicht fair. Er durfte ihr das nicht antun.
»Hast du jemals von Drachen geträumt?«, fragte sie ihn. Es war eine direkte Frage, beiläufig gestellt. Aber er fiel nicht darauf herein.
»Nein«, antwortete er nachdrücklich.
»Bist du sicher? Ich dachte, du hättest mir schon von solchen Träumen erzählt, einmal…«
Er zuckte mit den Schultern. Es war eine einstudierte Geste. »Nun, vielleicht hab ich es. Ich kann mich nicht daran erinnern. Vielleicht habe ich einen solchen Traum geträumt, aber er war nicht wichtig für mich. Nicht alle Träume sind wichtig, weißt du. Genau genommen frage ich mich sowieso, ob Träume überhaupt wichtig oder bedeutsam sind.«
»Meine sind es«, entgegnete Amber entschieden. »Ich weiß, dass sie es sind. Deshalb ist es so beunruhigend, wenn ich ihre Bedeutung nicht erfassen kann. Ach, Paragon, ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht. Ich hoffe, es war kein ernsthafter Fehler.«
Er lächelte im Dunkeln. »Nun, wie schwer kann ein Fehler sein, den eine Holzperlenmacherin begehen kann? Ich bin sicher, dass du dir wegen nichts Sorgen zu machen brauchst. Drachen und Seeschlangen, also wirklich. Was haben solch fantastische Kreaturen mit dir und mir zu tun?«
»Seeschlangen!«, rief Amber aus. »Aha!« Sie schwieg lange, und dann fühlte er beinahe, wie sie ihn herzlich anlächelte. »Seeschlangen«, meinte sie bestätigend, als spräche sie mit sich selbst. »Danke, Paragon. Dafür danke ich dir sehr.«
»Es ist nicht deine Wache«, stellte Ophelia leise fest.
»Das weiß ich genauso gut wie du. Ich konnte nicht schlafen«, antwortete Althea. Sie sah an der Galionsfigur vorbei. Die Wellen waren sanfte Hügel, und der leichte Frühlingswind schmiegte ihren leichten Umhang an ihren Körper.
»Das weiß ich genauso gut wie du«, konterte Ophelia. »Du hast dich seit beinahe zwei Stunden in deiner Koje herumgewälzt. Warum? Bist du aufgeregt, weil wir morgen in Bingtown anlegen?«
»Ja. Aber ich bin nicht froh. Ich fürchte mich vor dem, dem ich mich morgen stellen muss. Meine Schwester, meine Mutter. Kyle, falls die Viviace da ist. Ach, Ophelia, ich fürchte mich sogar, meinem Schiff gegenüberzutreten, wenn die Zeit gekommen ist. Wie kann ich sie ansehen und ihr erklären, wie und warum ich sie habe gehen lassen?«
»Du weißt, dass du das nicht musst. Leg einfach deine Hand auf ihre Planken, und sie wird alles fühlen, genauso sicher wie ich das tue.«
Althea strich zärtlich mit den Händen über die
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