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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dies konnte Malta nicht verführen. Nachdem sie selbst alles verloren hatte, fehlte ihr jeglicher Antrieb, den Reichtum von anderen zu bewundern.
    Trehaug schwebte über den Ufern des Regenwildflusses und grenzte an den offenen Flusslauf. Aber der Fluss besaß eigentlich gar keine richtigen Ufer. Sümpfe, Schlamm und wandernder Morast reichten von dem offenen Strom bis weit unter die Bäume. Die ätzenden Wasser des Flusses beherrschten diese Welt, und sie flossen, wo sie wollten. Ein Stück Boden, das vor einer Woche noch fest gewesen war, konnte plötzlich anfangen zu blubbern und anschließend im Schlamm versinken. Niemand traute der Erde. Stämme, die man hineintrieb, wurden entweder zerfressen oder fielen langsam um. Nur die verschlungenen Wurzeln der Regenwildbäume schienen hier irgendwie Fuß fassen zu können. Malta hatte solche Bäume noch nie gesehen oder sich auch nur vorgestellt. Als sie einmal ans Fenster getreten war und hinausgesehen hatte, konnte sie nicht einmal den Erdboden erkennen. Blätter und Brücken versperrten ihr die Sicht. Ihre leichte Kammer war in der Astgabel eines Baumes errichtet worden. Ein künstlicher Fußweg über den dicken Ast schützte die Borke davor, eingerissen zu werden. Der Ast war groß genug, dass zwei Männer nebeneinander darauf gehen konnten, und er führte zu einer Wendeltreppe, die sich dicht am Stamm nach unten wand. Diese Treppe erinnerte Malta an eine belebte Straße, nicht zuletzt, weil sie auch über Marktstände verfügte, die auf den Absätzen angebracht waren.
    Des Nachts patrouillierten Wächter und sorgten dafür, dass die Laternen an den Treppen und den Brücken stets gefüllt waren und brannten. Die Nacht wirkte festlich, denn dann leuchtete die ganze Stadt. Das Regenwildvolk hatte kleine Gärten in Hängematten und Trögen angelegt, die in den Bäumen hingen. Die Gemüsehändler suchten sich ihre eigenen Wege durch die Bäume und über die Sümpfe. Sie ernteten die exotischen Früchte, die Blumen und erlegten die Jagdvögel aus dem Regenwilddschungel. Wasser gewannen sie aus einem weit verzweigten System von Regenfängern. Niemand überlebte es, wenn er Wasser aus dem Regenwildfluss trank. Die dicken Boote, die man aus grünen Baumstämmen machte, wurden jede Nacht aus dem Fluss gehoben und in die Bäume gehängt. Sie waren ein allerdings kurzlebiges Transportmittel zwischen den »Häusern«, eine Ergänzung zu den Hängebrücken und den Rollwagen, die die Bäume miteinander verbanden. Diese Bäume trugen die ganze Stadt. Ein Erdstoß, der den Boden aufriss, ließ diese Bäume nur leicht schwanken.
    Darunter, auf dem Boden, lag die uralte Stadt. Allerdings war sie nach Seldens Beschreibung kaum mehr als ein Dreckklumpen im Sumpf. Das kleine bisschen fester Boden darum herum war für die Werkstätten reserviert, die sich mit der Ausbeutung und Erforschung der Stadt beschäftigten. Dort leben wollte niemand. Als Malta Selden nach dem Grund fragte, zuckte er mit den Schultern. »Man wird verrückt, wenn man zu viel Zeit in der Stadt verbringt.« Dann hatte er den Kopf gesenkt. »Wilee meint, dass Reyn vielleicht schon verrückt ist. Bevor er angelangen hat, dich zu mögen, hat er mehr Zeit dort unten verbracht als jeder andere. Er hätte beinahe die Geisterkrankheit bekommen.« Er sah sich verstohlen um. »Die hat seinen Vater umgebracht, weißt du«, flüsterte er.
    »Was ist diese Geisterkrankheit?«, fragte sie ihn, beinahe widerwillig fasziniert.
    »Ich weiß es nicht. Nicht genau, jedenfalls. Man ertrinkt in Erinnerungen. Das hat Wilee gesagt. Was kann das bedeuten?«
    »Weiß ich nicht.« Seine neu entwickelte Fähigkeit, Fragen zu stellen, war beinahe noch schlimmer als sein früheres Schweigen.
    Malta streckte sich auf dem Diwan aus und kuschelte sich dann wieder in ihre Decke. Die Geisterkrankheit. In Erinnerungen ertrinken. Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen.
    Jemand kratzte an der Tür. Sie antwortete nicht, sondern blieb still liegen und atmete tief und langsam. Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Jemand kam in das Zimmer, trat nah ans Bett und betrachtete sie. Die Person stand über ihr und beobachtete ihren vorgetäuschten Schlaf. Malta tat weiter, als schliefe sie, und wartete, dass der Eindringling verschwand.
    Stattdessen berührte ein behandschuhter Finger ihre Wange.
    Ruckartig schlug sie die Augen auf. Ein verschleierter Mann stand neben ihrem Bett. Er war ganz und gar in langweiliges Schwarz gekleidet.
    »Wer seid

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