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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Seele nach. Sie sind fast wahr, flüsterte sie sich zu. Aber sie konnte einfach nicht den Teil darin ausfindig machen, der nicht stimmte.
    »Wo sind die Paneele?«, fragte sie müde. »Wir sollten uns einfach nur darauf konzentrieren.«
    »Das weiß ich nicht« , gab das Drachenweibchen zu. »Ich war nie in der Kammer. Was ich weiß, weiß ich nur aus dem Leben der Anderen. Du musst sie selbst finden.«
    »Und wie?«
    »Du musst von denen lernen, die wissen. Komm zu mir und lass deine Schutzmauer herunter, Malta Vestrit. Lass mich die Erinnerungen der Stadt für dich öffnen, dann wirst du alles erfahren.«
    »Die Erinnerungen der Stadt?«
    »Es war ihre Eitelkeit, die sie veranlasste, ihre Erinnerungen in den Knochen der Stadt zu verstecken. Sie berühren euresgleichen zwar, aber ihr könnt sie nicht beherrschen, wie es euch beliebt. Ich kann dir helfen, sie zu finden. Lass es mich tun.«
    Jetzt fügten sich für Malta alle Stücke zusammen. Sie begriff plötzlich, was ihr Teil des Handels war. Sie holte tief Luft. Dann beugte sie sich vor, presste ihre Hände, ihre Arme, ihre Brüste und ihre Wangen an das Holz. Noch einmal holte sie tief Luft, als tauche sie unter Wasser. Sie verbot sich, Angst zu empfinden oder zu widerstehen. Als sie sprach, war ihr Mund trocken.
    »Ertränke mich in Erinnerungen.«
    Mehr Ermunterung brauchte der Drache nicht.
    Die Kammer war plötzlich mit Leben erfüllt. Malta Vestrit verschwand als bloße Erscheinung. Hunderte anderer Leben blühten um sie herum auf. Große Wesen, mit kupferfarbenen und violetten Augen und honigfarbener Haut bevölkerten den Raum. Sie tanzten, sie redeten und sie tranken, während hoch oben Sterne durch die unglaublich klare Glaskuppel des Gebäudes schienen. Im nächsten Augenblick zog das Morgengrauen auf. Das erste Licht kroch in den Raum und berührte die exotischen Pflanzen, die in den Wannen im ganzen Raum blühten. In einer Ecke des Saals sprudelte ein mehrstöckiger Springbrunnen, in dessen Bassin Fische schwammen. Es war Mittag, und die Tore wurden geöffnet, damit frische Luft in die Kammer dringen konnte. Dann wurde es wieder Abend, und die Altvorderen versammelten sich erneut, um zu reden und zu lachen und zu der Musik zu tanzen. Beim nächsten Blinzeln kehrte die Sonne zurück. Eine Tür wurde geöffnet, und ein ungeheurer Block aus schwarzem, silbrig geädertem Stein wurde auf Rollen in den Saal geschoben. Die Tage verstrichen wie Blüten, die von einer Blume fielen. Eine Gruppe alter Männer mit Hämmern und Meißeln bewegte sich um den Stein herum. Ein Drache wurde sichtbar. Die Alten lehnten sich gegen den Stein und verschwanden darin. Die Türen wurden geöffnet. Der Drache rührte sich und schritt unter den Tränen und Grüßen der Wohlgesonnenen hinaus. Er breitete die Schwingen aus und flog davon. Die Wesen versammelten sich wieder, tranken und tanzten und redeten. Ein weiterer Steinblock wurde hereingezogen. Tage und Nächte verstrichen wie ein Fluss aus schwarzweißen Perlen. Malta stand verwurzelt in der Zeit dabei, und die Tage strömten an ihr vorbei. Sie beobachtete und wartete, und bald merkte sie gar nicht mehr, dass sie es tat. Die Erinnerungen füllten die Kammer ganz langsam, wie flüssiger Honig. Sie saugte sie alle auf und begriff alles. Es war weit mehr, als ihr Verstand aufnehmen konnte. Die Erinnerungen waren hier bewahrt gewesen, denn es war ein Vergnügen gewesen, das die anderen kultiviert hatten, das Sammeln von Erinnerungen. Aber nicht so, jammerte Malta, nicht in einer Flut, die kein Detail aussparte, keine Emotion überging. Es war zu viel, viel zu viel. Sie war weder eine Altvordere noch ein Drache. Sie war nicht dafür geschaffen, so viel zu erfahren. Sie konnte das nicht alles aufnehmen. Es blutete aus ihr heraus, und sie vergaß genauso viel, wie sie behielt. Sie suchte nach dem einen wichtigen Detail, das sie unbedingt behalten musste: die Paneele. Die Hebel und die Kurbeln. Das war die einzige wichtige Erinnerung. Alles andere ließ sie los.
    Ihr Körper lag ausgestreckt in der Pfütze. Die Kälte durchdrang ihre Haut und ihre Knochen, aber die Jahre zogen an ihr vorbei und pressten jede noch so flüchtige Sekunde in ihr glühendes Gedächtnis. Sie wusste schon genug, und doch erfuhr sie immer noch mehr. Die Tage erstreckten sich endlos vor und hinter ihr, und die Zeit bewegte sich in beide Richtungen. Sie sah, wie die Mauer aus Steinen zusammengefügt wurde, und sie sah die Arbeiter, die verzweifelt die

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