Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
sofort einen anderen, besseren Weg, der zu einem näher liegenden Ausgang führte. Sie drehte sich um und eilte diesen Weg entlang. Den Protest ihres erschöpften Körpers nahm sie nicht mehr wahr. Sie lebte jetzt in tausend verschiedenen Momenten, warum sollte sie sich auf den einen konzentrieren, der ihr Schmerzen bereitete? Sie eilte weiter. Ihre zerrissenen Röcke klebten an ihren Beinen und schlugen klatschend dagegen.
Plötzlich wurde sie zu Boden geschleudert. »Ein Erdstoß«, flüsterte sie benommen, nachdem er vorüber war. Sie blieb liegen und wartete auf den nächsten Schlag. Aber nichts geschah. Um sie herum knirschte es, als würde die Erde sich bewegen. Aber keines der Geräusche kam direkt aus der Nähe. Vorsichtig stand sie auf und berührte den Lichtstreifen. Das Licht flackerte nur dämmrig auf. Malta musste sich ihrer Erinnerungen bedienen, wie der Flur aussehen sollte, bevor sie weitergehen konnte.
In der Ferne hörte sie Schreie. Sie ignorierte sie genauso, wie sie das Plaudern der flanierenden Paare überhörte und das Bellen eines kleinen Hundes, der an ihr vorbeistrich, ohne dass sie ihn spürte. Geister und Erinnerungen. Sie musste eine Tür öffnen. Malta bog in einen Korridor ein, der sie nach draußen bringen würde. Die Schreie wurden lauter. Eine Frauenstimme war deutlich zu verstehen: »Bitte, bitte, die Tür klemmt! Holt uns hier raus! Holt uns raus, bevor wir sterben!« Als Maltas Hände an der Tür vorbeistrichen, fühlte sie die Vibrationen, als die junge Frau dagegenschlug. Mehr aus Neugier denn als Reaktion auf das Flehen stemmte sie ihre Schulter gegen die Tür. »Ziehen!«, rief sie, als sie dagegen drückte. Die verklemmte Tür flog abrupt auf. Beinahe im gleichen Moment stürzte eine Frau heraus und stieß mit Malta zusammen. Sie fielen beide zu Boden. Ein blasser Mann stand hinter ihr. Das reale Licht der Laterne hinter ihm hätte Malta beinahe geblendet. Die Frau trampelte auf Malta herum, als sie sich eiligst hochrappelte. »Steht auf!«, schrie sie. »Bringt uns hier raus! Die Wand hat einen Riss, und Schlamm dringt ein!«
Malta richtete sich auf und sah sich in der prachtvoll eingerichteten Kammer um. Der Boden war mit Teppichen bedeckt, die jetzt langsam von einer Schlammschicht überzogen wurden. Er drang aus einem Riss in der Wand. Noch während Malta darauf starrte, drang blubbernd Wasser heraus. Der Schlamm floss schneller, weil das Wasser ihn verdünnte. Und der Spalt in der Wand klaffte immer weiter auf. »Die ganze Wand wird bald nachgeben«, stellte Malta fest.
Der blasse junge Mann blickte sich um. »Vermutlich hast du Recht.« Er sah auf sie herunter. »Deine Herren haben uns versichert, dass wir hier sicher wären. Dass niemand und nichts mich hier finden würde. Was nützt es mir, wenn ich vor meinen Mördern versteckt werde und dafür in stinkendem Schlamm ersticke?« Malta kniff die Augen zusammen. Die Phantome der Altvorderen verblassten. Der Satrap von Jamaillia sah sie finster an. »Also, lieg nicht einfach da herum. Steh auf und bring uns zu deinen Herren. Sie sollen meinen Zorn zu spüren bekommen.«
Gefährtin Kekki war kurz in die Kammer zurückgelaufen und hatte die Laterne gepackt. »Sie ist nutzlos«, erklärte sie mit einem Blick auf Malta. »Kommt mit. Ich glaube, ich kenne den Weg.«
Malta blieb auf dem Boden liegen und sah ihnen hinterher. Das ist ja sehr interessant, dachte sie benommen. Der Satrap von Jamaillia war also im Interesse seiner eigenen Sicherheit nach Trehaug gebracht worden. Das hatte sie nicht gewusst. Jemand Bestimmter hätte ihr das sagen sollen. Vertraute er ihr denn nicht? Sie schloss die Augen und dachte nach. Hm, wie schön wäre es jetzt zu schlafen.
Der Boden bebte unter ihr und schlug gegen ihre Wange. Ein Stück weiter im Flur schrieen Kekki und der Satrap auf. Das schrille Geräusch erschreckte Malta längst nicht so sehr wie das tiefe Rumpeln aus der Kammer, die sie verlassen hatten. Sie rappelte sich auf und zog die Tür zu, während der Boden immer noch bebte. Konnte eine schlichte Tür einen zusammenstürzenden Hügel aufhalten?
Plötzlich umfasste sie mit beiden Händen ihren Kopf. Übernimm die Kontrolle. Sie wählte den richtigen Moment und erinnerte sich an ihn. Um sie herum herrschte Chaos. Aber es konnte sie möglicherweise retten.
Sie drehte sich um und lief los. Vor sich sah sie die Laterne, die die Gefährtin trug. Sie holte den Satrapen und seine Gespielin ein. »Ihr habt den falschen Weg
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