Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
gekommen«, sagte sie atemlos. »Malta war nicht in ihrem Bett. Sie dachte.« Sie schüttelte den Kopf. »Sie dachte, dass ihre Tochter vielleicht bei Reyn wäre. Wir sind hierher gekommen, und natürlich war sie nicht hier. Dann läutete die Glocke und.« Sie verstummte, riss sich jedoch zusammen. »Aber wie konnte Malta bis zur Stadt kommen, geschweige denn hineingelangen? Sie hat ihr Bett seit ihrer Ankunft so gut wie nie verlassen. Sie kennt ja nicht einmal den Weg, ganz zu schweigen davon, dass sie bis zur Kammer des Gekrönten Hahns gelangen könnte.«
»Selden«, erklärte Reyn. »Ihr kleiner Bruder. Er hat mit Wilee Crane ganz Trehaug unsicher gemacht. Sa weiß, wie oft ich Wilee aus der Stadt geworfen habe! Ihr Bruder müsste den Weg mittlerweile ganz gut kennen, wenn er mit Wilee gespielt hat. Wo ist Selden?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Jani beunruhigt.
Bendir unterbrach sie. »Da sind eine Menge Menschen verschüttet, Reyn. Der Satrap und seine Gefährtin zum Beispiel. Ganz zu schweigen von den Grabarbeitern des Vintagh-Clans. Sie hatten gerade angefangen, die Kammer auszugraben, die neben der mit den Schmetterlingswandmalereien liegt. Und mindestens zwei andere Familien haben ihre Nachtarbeiter dort unten. Wir haben keine Zeit, um uns über die Gedanken zu machen, die möglicherweise dort unten sind. Wir müssen uns auf die konzentrieren, von denen wir wissen, dass sie verschüttet worden sind.«
»Ich weiß, dass Malta dort unten ist«, entgegnete Reyn verbittert. »Und ich weiß auch wo. In der Kammer des Gekrönten Hahns. Ich habe es dir gestern Abend gesagt. Zuerst suche ich sie.«
»Das kannst du nicht!«, fuhr Bendir auf, aber Jani schnitt ihm das Wort ab.
»Streitet nicht. Reyn, komm mit und grabe. Der Haupttunnel führt sowohl zum Saal des Gekrönten Hahns als auch zu den Kammern, in denen wir den Satrap versteckt haben. Arbeitet zusammen, dann können wir es schaffen.«
Reyn sah seinen Bruder enttäuscht an. »Wenn du gestern Nacht nur auf mich gehört hättest«, sagte er anklagend.
»Wenn du gestern Nacht nur nüchtern gewesen wärst«, konterte Bendir. Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Kammer. Jani und Reyn hasteten hinter ihm her.
Es war eine schwierige Aufgabe, in dem beengten Raum des zusammengebrochenen Bootshauses die Boote herunterzunehmen und das beste auszusuchen. Nachdem sie das am wenigsten zerstörte ausgewählt hatte, erwartete sie die noch schwerere Aufgabe, es ins Freie zu wuchten. Kekki war vollkommen nutzlos. Als sie endlich aufhörte zu weinen, war sie eingeschlafen. Der Satrap bemühte sich zwar, doch seine Hilfe ähnelte der eines großen Kindes. Er hatte offenbar keinerlei Erfahrung mit körperlicher Arbeit. Malta versuchte sich zusammenzunehmen und rief sich sogar ins Gedächtnis, dass sie noch vor einem Jahr genauso ahnungslos gewesen war.
Der Satrap hatte förmlich Angst vor der Arbeit. Er fasste weder das Holz an, noch bemühte er sich wirklich, das Boot hinauszutragen. Malta verkniff sich einen giftigen Kommentar. Als sie das Boot endlich aus dem Spalt und auf den von Blättern bedeckten Boden geschleppt hatten, war sie vollkommen erschöpft. Der Satrap wischte sich die Hände ab und strahlte, als habe er das Boot ganz allein herausgetragen. »So«, erklärte er sichtlich zufrieden. »Das wäre geschafft. Holt Ruder, damit wir loskommen.«
Malta hatte sich zu Boden sinken lassen und lehnte sich gegen einen Baum. »Glaubt Ihr nicht.« Es fiel ihr schwer, den Sarkasmus zurückzuhalten, ». dass wir erst einmal überprüfen sollten, ob es schwimmt?«
»Warum sollte es nicht schwimmen?« Er stellte besitzergreifend einen Fuß auf das Boot. »Ich finde, es sieht gut aus.«
»Holz schrumpft, wenn man es aus dem Wasser hebt. Wir sollten es ins Seichte setzen, ein bisschen warten, bis das Holz aufquillt, und sehen, wie viel Wasser eindringt. Falls Ihr es noch nicht wisst, kläre ich Euch gern auf. Das Wasser des Regenwildflusses zerstört Holz. Und Haut. Wenn das Boot undicht ist, müssen wir etwas auf den Boden legen, damit wir unsere Füße darauf stellen können. Außerdem bin ich jetzt zu müde, um irgendwohin zu rudern. Zudem wissen wir nicht einmal, wo wir uns befinden. Wenn wir bis zur Dämmerung warten, sehen wir vielleicht die Lichter von Trehaug durch die Bäume. Das erspart uns eine Menge Zeit und Anstrengung.«
Er stand auf. Seine Miene schwankte zwischen Empörung und Verblüffung. »Weigert Ihr Euch etwa, mir zu
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