Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
unternehmen«, entgegnete Jani. »Es wird Zeit, dass wir uns mit Gleichgesinnten verbünden, ob sie nun aus der Regenwildnis oder aus Bingtown stammen.«
»Zum Beispiel mit Grag Tenira?«, fragte Reyn.
»Ich glaube nicht, dass er zufällig hierher geflohen ist. Der Grove-Clan hat ihn aufgenommen. Er pflegt enge Handelsbeziehungen zu der Tenira-Familie.«
»Und hegt viel Sympathie für alle, die sich gegen den Satrapen erheben wollen«, fügte Reyn nachdenklich hinzu.
Bendir wirkte überrascht. »Seit wann interessiert sich mein kleiner Bruder denn für Politik? Mir kam es so vor, als müssten wir dich zu diesem Treffen nach Bingtown förmlich mitschleppen.«
»Es war gut, dass ihr es getan habt. Es hat mir für vieles die Augen geöffnet«, erwiderte Reyn leichthin. Dann wandte er sich an seine Mutter. »Wir sollten Grag Tenira zum Abendessen einladen. Natürlich zusammen mit den Groves.«
»Ich glaube, das wäre ein kluge Entscheidung.« Jani sah ihren Ältesten an, und als der zustimmend nickte, atmete sie erleichtert auf. Sie würde nicht ewig leben. Je eher ihre Söhne lernten, zusammenzuarbeiten, desto besser. Rasch wechselte sie das Thema. »Also, Reyn, bist du aus diesen alten Pergamenten schlau geworden?« Sie deutete mit einem Nicken auf die Papiere, die er auf den Tisch geworfen hatte.
»Ein bisschen.« Er runzelte die Stirn, als er sie zu sich heranzog. »Es finden sich eine Menge unbekannter Wörter in dem Text. Was ich entziffern konnte, ist aufregend und frustrierend zugleich. Offenbar wird auf eine andere Stadt Bezug genommen, die beträchtlich weiter flussaufwärts liegt.« Er kratzte sich an einem schuppigen Ausschlag auf seiner Wange. »Wenn ich das richtig interpretiere, müsste sie weit hinter dem Horizont liegen. An dem Ort, den wir das Bergkönigreich nennen. Sollte eine solche Stadt existieren und sollten wir sie ausfindig machen können. tja. Möglicherweise stellt sich das als der größte Fund seit der Gründung Trehaugs heraus.«
»Ein Luftschloss«, erwiderte Bendir abweisend. »Es wurden schon früher Expeditionen den Fluss hinauf unternommen. Man hat nichts gefunden. Wenn es dort eine andere Stadt gibt, liegt sie wahrscheinlich noch tiefer unter der Erde als Trehaug.«
»Wer weiß?«, erwiderte Reyn. »Ich sage dir eins: Nach den Informationen, die ich hier übersetzt habe, muss sie sehr weit flussaufwärts liegen. Sie könnte sogar vollkommen der Vernichtung entgangen sein.« Er dachte kurz nach. »Möglicherweise könnte dort sogar die Rasse der Altvorderen überlebt haben. Stellt euch vor, was sie uns lehren könnten.« Seine Stimme brach, und er bemerkte den besorgten Blick nicht, den seine Mutter und sein Bruder austauschten. »Ich glaube, es ist auf jeden Fall weitere Forschungen wert. Ich werde meine Fragen der Drachenkönigin vorlegen und hören, was sie dazu sagt.«
»Nein.« Es war ein eindeutiges Verbot. »Reyn, ich dachte, das hätten wir geklärt. Du hältst dich von der Kammer des Gekrönten Hahns fern«, fuhr sein Bruder fort. »Dieser Baumstamm besitzt ganz entschieden zu viel Macht über dich.«
»Sie ist kein Baumstamm, sondern eine Drachenkönigin. Und sie sollte befreit werden.«
Diesmal versuchten Jani und Bendir erst gar nicht, den Blick zu verbergen, den sie sich zuwarfen. Bendirs Stimme klang ärgerlich, als er antwortete: »Ich hätte das verdammte Ding auf der Stelle zersägen sollen, als ich vermutete, dass du dafür empfänglich warst. Aber damals war es gerade nicht der passende Moment. Es ist der letzte und größte Stamm aus Hexenholz. Das Schiff, das wir daraus erbauen, wird das letzte Lebensschiff sein. Es sei denn, du behieltest Recht, was diese andere Stadt angeht. Vielleicht finden wir dort noch mehr Hexenholz.«
»Nur wirst du sie nicht ohne mich finden«, merkte Reyn gelassen an. »Und ich werde dir ganz bestimmt nicht helfen, wenn du den Drachen tötest.«
Bendir verschränkte die Arme vor der Brust. Jani kannte diese Geste sehr gut. Er versuchte, den Ärger über seinen jüngsten Bruder zu unterdrücken. Reyn der Träumer, Reyn der Gelehrte. So oft frustrierte er den pragmatischen Bendir. Jani hatte immer gehofft, dass ihre Jungen mit der Zeit lernen würden, sich gegenseitig zu ergänzen. Mittlerweile fand sie sich jedoch mehr und mehr damit ab, dass sie wohl immer miteinander streiten würden.
»Es gibt keinen Drachen«, sagte Bendir langsam und mit einem endgültigen Unterton. »Was immer in diesem Stamm gewesen sein mag, ist
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