Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
der Bücher gestiegen. »Ich vermute, dies bedeutet, dass Wintrow weiterhin jeden freien Augenblick mit Etta verbringen wird«, bemerkte sie säuerlich.
Kennit lächelte. Er beugte sich über die Reling und berührte ihr Haar. Während er antwortete, ließ er ihre schweren Locken durch seine Finger gleiten. »Das ist richtig. Er wird Etta weiterhin ablenken, und sie wird ihn beschäftigen. So können wir beide weiterhin Zeit miteinander verbringen, in der wir über unsere Absichten und Interessen plaudern.«
Sie erschauderte unter seiner Berührung und genoss ihre entzückende Verwirrung. »Also habt Ihr sie absichtlich zusammengebracht, damit wir mehr Zeit füreinander haben?«
»Warum wohl sonst?« Er nahm eine andere Locke ihres Haares und wog die schwere Schnitzerei in seiner Hand. Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. Seine blassblauen Augen waren zu Schlitzen zusammengekniffen. Er war wirklich ein außerordentlich gut aussehender Mann, auf eine gewisse, verruchte Art. »Es macht dir doch nichts aus, oder? Etta ist ziemlich unwissend, das arme Ding. Hurerei ist eine sehr eintönige Beschäftigung. Wintrow ist ihr ein geduldigerer Lehrer, als ich es jemals sein könnte. Er wird ihr die Mittel an die Hand geben, die sie braucht, um sich zu bessern. Wenn sie das Schiff verlässt, muss sie nicht mehr der Hurerei nachgehen.«
»Etta verlässt das Schiff?«, fragte Viviace atemlos.
»Natürlich. Ich habe sie damals nur zu ihrem eigenen Schutz auf die Marietta gebracht. Wir haben eigentlich nur sehr wenig gemeinsam. Sie war freundlich und sehr nützlich, während ich mich von meiner Verletzung erholt habe. Allerdings kann ich kaum übersehen, dass sie die Ursache für eben diese Verletzung gewesen ist.« Er lächelte kalt. »Wintrow wird sie bilden, und wenn sie an Land geht, wird sie mehr tun können, als nur auf dem Rücken zu liegen.« Er dachte nach. »Ich denke, es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Menschen besser sind, als sie waren, wenn ich sie verlasse, glaubst du nicht?«
»Wann geht Etta?« Viviace bemühte sich, den Eifer in ihrer Stimme zu verbergen.
»Unser nächster Hafen ist Divvytown. Dort war sie zu Hause.« Er lächelte. »Allerdings weiß niemand, wie sich die Dinge entwickeln. Ich werde sie natürlich nicht dazu zwingen zu gehen.«
»Natürlich nicht«, antwortete Viviace leise. Er spielte mit der Locke zwischen seinen Fingern, und die Spitze kitzelte ihre nackte Schulter.
Unter dem Arm hielt er ein Paket. Es war in grobes Sackleinen eingewickelt. »Dein Haar ist so wunderschön«, sagte er leise. »Ich musste in dem Moment an dich denken, als ich das hier sah.« Er öffnete ein Ende des Päckchens und zog etwas Rotes heraus. Er schüttelte es auf, und Bahnen von rotem Stoff ergossen sich auf das Deck. Das Material war unglaublich leicht und fein. Er hielt ihr den Stoff hin. »Ich dachte, du würdest vielleicht gern dein Haar damit binden.«
Sie war fassungslos. »So ein Geschenk habe ich noch nie bekommen«, sagte sie staunend. »Seid Ihr sicher, dass Ihr mir das schenken wollt? Wasser und Wind könnten es ruinieren.«
Aber noch während sie sprach, ließ sie den Stoff durch ihre Finger gleiten. Sie hob die Hände und legte das Band auf ihre Stirn. Kennit ergriff die Enden und schlang für sie einen Knoten.
»Dann werde ich dir einfach neuen Stoff bringen.« Er neigte den Kopf und lächelte bewundernd. »Was bist du für eine Schönheit!«, sagte er. »Meine Piratenkönigin!«
Wintrow öffnete vorsichtig den hölzernen Deckel des Buches und schlug es behutsam auf. Dann seufzte er bewundernd. »Oh, das ist unglaublich. Seht nur all diese Einzelheiten!«
Er trug den Band ans Fenster, wo das Licht auf die kunstvoll geschmückte Seite fiel. »Das ist wunderbar.«
Etta trat langsam an seine Seite und blickte auf das Buch herunter. »Was ist das?«, wollte sie wissen.
»Es ist eine Kräuterfibel. Ein Buch über Kräuter, mit Zeichnungen und Beschreibungen und Erklärungen, wie sie angewandt werden sollen. Ich habe noch nie ein so kostbares Exemplar gesehen.«
Vorsichtig blätterte er um und stieß auf eine noch schönere Seite. »Selbst in der Bibliothek unseres Klosters hatten wir nichts Vergleichbares. Das ist ein unglaublich wertvolles Buch.«
Er berührte die Seite und zeichnete mit dem Finger die Umrisse eines Blattes nach. »Seht Ihr, das hier ist Pfefferminze. Betrachtet nur die Zacken und die winzigen Härchen auf jedem Blatt. Der Künstler besaß wirklich ein
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