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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Besseres war? Diese Einstellung hätte er bei allen anderen höchst tadelnswert gefunden.
    »Nein. Nein!«, stammelte er und rief dann: »Ich blicke nicht auf Etta herab. Sie ist eine verblüffende Frau. Ich fürchte einfach nur.«
    »Ich glaube, ich weiß was du fürchtest«, unterbrach ihn Kennit und lächelte nachsichtig. »Dir ist unwohl, weil du sie attraktiv findest. Das muss dich nicht entsetzen, Wintrow. Jeder gesunde junge Mann würde einer sinnlichen Frau wie Etta nur schwer widerstehen können. Dabei ist sie nicht absichtlich so verführerisch. Das arme Ding. Sie wurde seit ihrer Kindheit darin unterwiesen. Einen Mann zu verführen ist für sie genauso natürlich, wie für einen Fisch das Schwimmen ist. Ich warne dich: Sei sehr vorsichtig, wenn du sie zurückweist. Du könntest sie weit mehr verletzen, als du beabsichtigst.«
    »Das ist es nicht! Ich würde niemals.« Er stotterte, und dann fehlten ihm die Worte. Es wäre nicht so demütigend gewesen, wenn er vollkommen unschuldig gewesen wäre. Sie faszinierte ihn tatsächlich. Er hatte noch nie Zeit mit einer erwachsenen Frau verbracht, schon gar nicht allein mit ihr. Sie reizte all seine Sinne. Die Parfüms, die sie auflegte, hingen noch lange, nachdem sie gegangen war, in seiner Kabine. Er hörte nicht nur ihre heisere Stimme, sondern auch das Rascheln der prächtigen Stoffe, aus denen sie ihre Kleider anfertigte. Sie drehte den Kopf, und das Licht tanzte plötzlich auf ihrem Haar. Er nahm sie wahr, und manchmal verfolgte sie ihn sogar bis in den Schlaf. Er war bereit, das als normal zu akzeptieren. Aber auf Kennits nachsichtiges Lächeln war er weniger vorbereitet.
    »Es ist schon gut, Junge. Ich könnte es dir kaum vorwerfen, wenn du es tätest. Ich würde allerdings weniger von dir halten, wenn du dies zwischen dich und das für uns beide Richtige treten lassen würdest. Sie kann sich nicht bessern, wenn sie nicht lesen und schreiben kann, Wintrow. Wir beide wissen das. Also gib dein Bestes, und lass dich nicht entmutigen. Ich werde keinem von euch beiden gestatten aufzugeben, wo der Erfolg so greifbar nahe ist.«
    Die Unterrichtsstunden, die diesem Gespräch folgten, waren eine einzige Qual gewesen. Die Worte des Kapitäns schärften Wintrows Sinne für die Frau und machten ihn nicht etwa unempfindlicher. Die »zufällige« Berührung ihrer Hand an seiner, wenn sie zusammen ein Buch hielten, schien manchmal Absicht zu sein. Warum trug sie solche Parfüms, wenn nicht aus dem Grund, ihn zu locken? Waren ihre eindringlichen Blicke verführerisch gemeint? Allmählich und unaufhaltsam nahm ihre Weiblichkeit seine Sinne gefangen. Statt jetzt die gemeinsame Zeit mit ihr zu fürchten, sehnte er sich danach. Allerdings war er sicher, dass es keineswegs auf Gegenseitigkeit beruhte. Jedenfalls fast sicher. Doch das spielte sowieso keine Rolle, denn Etta war unwiderruflich Kennits Frau. All die tragischen romantischen Balladen, die er gehört hatte, all die Geschichten von unglücklich Liebenden, die ihm früher einmal so abgeschmackt vorgekommen waren, klangen jetzt nur allzu wahr.
    Als Wintrow ihr Gesicht betrachtete, während sie ihren Triumph genoss, wusste er plötzlich, dass Kennit Recht gehabt hatte. Dieser Anblick war alle Qualen der Verlockung, die er erduldet hatte, wert gewesen. Sie konnte lesen. Er hatte nicht geahnt, dass es in seiner Macht stand, jemandem so viel Freude bereiten zu können. Es war erregend, aber nicht im fleischlichen Sinne. Er hatte ihr ein Geschenk gemacht, das ihn irgendwie selbst bereicherte.
    Etta stand da und presste das wertvolle Buch an ihren Busen, als wäre es ihr Kind. Sie hatte die Augen geschlossen und das Gesicht zum Bullauge gewandt. Das Licht ließ ihre bronzene Haut golden schimmern, die Tränen auf ihren Wangen glitzern und ihr Haar glänzen. Sie erinnerte Wintrow an eine Sonnenblume, die sich dem Licht zuwendet. Er hatte sie schon fröhlich gesehen, wenn sie mit Kennit lachte oder mit den anderen Piraten scherzte. Doch jetzt schien sie von der Freude wie verwandelt. Es war nicht miteinander zu vergleichen.
    Ihr Busen hob und senkte sich, als sie aufseufzte. Sie öffnete die Augen und lächelte ihn an. »Wintrow«, sagte sie leise. Langsam schüttelte sie den Kopf, und ihr Lächeln verstärkte sich. »Kennit ist ja so weise. Ich habe dich zuerst für wertlos gehalten. Dann war ich eifersüchtig, weil ihm so viel an dir lag. Ich habe dich sogar gehasst, weißt du das? Und jetzt empfinde ich für dich.«
    Sie

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