Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
wäre es seine Großzügigkeit. Dabei gibt er ihnen nur wieder, was sie ihm vorher geschenkt haben. Er beraubt sie, und sie bewundern ihn dafür.«
»Warum auch nicht? Es klingt so, als täte er viel Gutes für sie.«
»Das stimmt«, räumte Wintrow widerwillig ein. »Das tut er tatsächlich. Er gibt ihnen Geld, damit sie freundlich zu den Armen und Alten unter ihnen sind. Er sorgt dafür, dass sie den Kopf heben und erkennen können, was sie sein könnten. In der letzten Stadt hat er befohlen, dass sie einen Ort für die Kinder schaffen, an dem sie sich versammeln und wo sie lernen können. In der Stadt war ein Mann, der gut lesen und rechnen konnte. Kennit hat ihnen genug Geld dagelassen, damit sie ihn angemessen dafür bezahlen können, dass er die Kinder unterrichtet.«
»Ich verstelle immer noch nicht, was du daran auszusetzen hast.«
»Es geht nicht um das, was er tut. Was er tut, ist vornehm, ja sogar edel. Seine Motive sind es, die ich anzweifle. Viviace, er will König werden. Also sorgt er dafür, dass sie sich gut fühlen. Mit dem Geld, das sie ihm geben, kauft er ihnen das, was sie sich eigentlich selbst hätten kaufen sollen. Und zwar nicht, weil es richtig ist, sondern weil sie deshalb gut von ihm denken und sich selbst gut fühlen. Sie werden dieses Gefühl von Stolz mit ihm in Verbindung bringen.«
Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Ich kann trotzdem nichts Schlechtes daran finden. Im Gegenteil, ich sehe sogar viel Gutes. Wintrow, warum hegst du so viel Misstrauen ihm gegenüber? Hast du jemals überlegt, dass er vielleicht nur deshalb König der Piraten-Inseln werden will, um eben solche Dinge tun zu können?«
»Ist das denn so?«, wollte Wintrow wissen.
Ihm schuldete sie die Wahrheit. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie aufrichtig. »Aber ich hoffe es. Auf jeden Fall sind die Ergebnisse dieselben.«
»Im Augenblick schon«, gab er zu. »Aber ich weiß nicht, wie sich die Dinge auf lange Sicht entwickeln werden.«
Sie dachte über seine Worte nach, während sie zusah, wie das Boot sich näherte. Der Junge war einfach zu misstrauisch. Ein engstirniger Teil von ihm konnte Kennit einfach nicht als eine Kraft des Guten akzeptieren. Das war alles. Das Boot legte an, und man warf ihnen die Strickleiter herunter. Was jetzt kam, hasste Viviace. Kennit beharrte in letzter Zeit darauf, dass er allein die Strickleiter an Bord seines Schiffes hinaufklettern konnte. Es kostete ihn jedoch beinahe endlos Zeit. Bei jedem Schritt fürchtete sie, dass er abrutschte und sich die Knochen auf dem Boot unter ihm zerschmetterte. Oder noch schlimmer, er fiel vielleicht ins Wasser und verschwand entweder in den Wellen oder wurde von Seeschlangen gefressen. Dieses Jahr herrschte eine wahre Seeschlangenplage. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals so dick und unverschämt gewesen waren. Es war höchst beunruhigend.
Kurz darauf ertönte das Pochen seines Holzbeins auf dem Deck. Viviace seufzte erleichtert auf und wartete ungeduldig auf Kennit. Er kam immer zuerst zu ihr, wenn er das Schiff wieder betrat. Manchmal folgte ihm Wintrow. Etta hatte es am Anfang auch getan, aber in letzter Zeit mied sie das Vordeck. Eine sehr kluge Entscheidung, fand Viviace.
Als sie sich diesmal umdrehte und Kennit begrüßte, war er allein. Ihr Lächeln wurde herzlicher. Es waren die schönsten Momente, wenn sie ungestört von Wintrows Fragen und seinen skeptischen Blicken miteinander reden konnten. Er erwiderte ihr Lächeln mit einem selbstzufriedenen Grinsen. »Nun, meine Lady, bist du bereit, noch mehr Fracht aufzunehmen? Ich lasse sie heute Nachmittag an Bord bringen.«
»Um welche Fracht handelt es sich?« Sie wusste, dass er es liebte, seine Schätze aufzuzählen.
»Nun.« Er machte eine Pause und genoss seine Freude. »Sehr guter Brandy in kleinen Fässchen. Teeballen. Silberbarren. Einige wollene Teppiche in wirklich erstaunlichen Farben und Mustern. Eine sehr schöne Sammlung von Büchern, alle hervorragend gebunden. Poesie, Geschichte, eine illustrierte Geschichte der Natur und einige Reiseberichte. Wirklich sehr schöne Bücher. Die werde ich für mich selbst behalten, denke ich, auch wenn Etta und Wintrow sie natürlich lesen dürfen. Außerdem Nahrungsmittel, Säcke mit Weizen, Fässer mit Öl und Rum. Und eine Menge Geld, in verschiedenen Währungen. Rufo hat sich mit der Fortune sehr gut geschlagen. Ich bin höchst erfreut, wie gut Askew blüht und gedeiht.«
Viviaces Aufmerksamkeit war bei der Erwähnung
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