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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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darin befunden hatte, war ohne viel Federlesens auf den kalten Steinboden der Kammer gekippt worden. Reyn zuckte jedes Mal zusammen, wenn er daran dachte. Hatte es sich gewunden? Hatte es lautlose Schreie des Schmerzes und der Verzweiflung ausgestoßen? Oder war es ein schon vor langer Zeit gestorbenes Ding gewesen, wie seine Mutter und sein Bruder immer behaupteten, eine unbelebte Masse aus Gewebe und nicht mehr als das?
    Wenn sich der Khuprus-Clan deshalb nicht zu schämen brauchte, weshalb hatte man es dann immer geheim gehalten? Nicht einmal die anderen Regenwildhändler kannten das ganze Geheimnis der Hexenholzstämme. Obwohl die versunkene Stadt ihr gemeinsames Eigentum war, hatten die Händlerfamilien schon vor langer Zeit ihre Territorien darin abgesteckt. Die Kammer des Gekrönten Hahns und die merkwürdigen Holzstämme darin waren schon vor langer Zeit dem Khuprus- und dem Festrew-Clan zugesprochen worden. Es war eine Ironie des Schicksals, dass man zu dieser Zeit diese Stämme für ziemlich wertlos hielt. Erst ein Zufall hatte ihren einzigartigen Besitz enthüllt, jedenfalls hatte man Reyn das immer erzählt. Wie genau das passiert war, hatte er jedoch niemals herausfinden können. Sollte jemand aus seiner Familie diese Geschichte kennen, hatte man sie ihm bisher jedenfalls erfolgreich vorenthalten.
    Der Kendry dagegen hielt nichts zurück. Die Galionsfigur war ein lächelnder und liebenswürdiger junger Mann. Niemand kannte sich auf dem Regenwildfluss besser aus als er. Früher hatte Reyn viele lebhafte Unterhaltungen mit ihm genossen. Doch seit der Fluch des Drachen an ihm haftete, konnte die Galionsfigur ihn nicht länger ertragen. Das Lächeln auf Kendrys Lippen erstarb, und er brach mitten im Satz ab, wenn Reyn sich ihm näherte. Die Miene des jungen Mannes wurde zwar nicht feindselig, aber doch beunruhigt, wenn er des Regenwildnismannes ansichtig wurde. Er beobachtete Reyn aufmerksam und vergaß jedes Gespräch. Der Mannschaft des Kendry war sein merkwürdiges Verhalten bereits aufgefallen. Obwohl noch niemand so kühn gewesen war, eine Bemerkung darüber zu machen, fühlte Reyn, dass man ihn beobachtete. Er mied das Vordeck völlig.
    Wenn Kendry Reyns Anblick auch beunruhigte, so gingen Reyns Gefühle noch viel tiefer und waren intensiver. Denn Reyn wusste, dass, verborgen in seinen Fasern, unter der liebenswerten Fassade des gut aussehenden jungen Mannes der Geist eines wütenden Drachen lauerte. Immer wenn Reyn schlief oder wenn er auch nur eindöste, erwartete ihn schon der eingesperrte Geist. Die Kreatur beklagte leidenschaftlich den Tod von all dem, was sie einst gewesen war. Der Drache wütete gegen ein Schicksal, das ihn seiner Flügel beraubt und sie durch klatschende Leinwand ersetzt hatte. Statt Klauen, mit denen er Beute packen konnte, hatte er kleine Pfoten, die wie verwelkte Knollen aussahen. Er, einst ein stolzer hoher Herr der drei Reiche, war jetzt auf die Wasseroberfläche beschränkt, wurde vom Wind herumgestoßen und war von Menschen übersät, wie ein totes Kaninchen von Ungeziefer. Es war unerträglich.
    Er wusste es, selbst wenn die grinsende Galionsfigur das nicht erkannte. Jetzt wusste auch Reyn es. Ihm war klar, dass der Geist, der in den Knochen des Kendry lauerte, auf Rache sann. Er fürchtete, dass seine Gegenwart an Bord des Lebensschiffes diese verschütteten Erinnerungen verstärkte. Wenn diese Bilder jemals an die Oberfläche aufstiegen, was würde Kendry dann tun? Wen würde seine Rache am härtesten treffen? Reyn hatte Angst, dass der Drache herausfand, wer er war: ein Nachfahre derer, die ihn einst ungeboren aus seiner Wiege gekippt hatten.
    Serilla stand auf Deck des Schiffes. Neben ihr trugen zwei kräftige Seeleute den Satrapen. Er lag auf einer improvisierten Liege aus Rudern und Segeltuch. Der Wind hatte seine Wangen leicht gerötet. Sie lächelte ihn liebevoll an. »Lasst mich für Euch sprechen, Magnadon. Ihr müsst Eure Stärke bewahren. Außerdem sind das nur Seeleute. Hebt Euch Eure Worte für das Konzil der Händler auf.«
    In seiner Unwissenheit nickte er dankbar als Antwort auf ihre Worte. »Sag es ihnen einfach«, befahl er. »Sag ihnen, dass ich so schnell wie möglich von diesem Schiff herunter und an Land will. Ich brauche ein warmes Zimmer mit einem guten Bett und frisches Essen und.«
    »Shh. Ihr erschöpft Euch. Lasst mich Euch zu Diensten sein.« Sie bückte sich und stopfte die Decke enger um ihn. »Ich werde nicht lange fort sein, das

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