Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
sich an die anderen auf dem Podest. »Sie ist ein so scheues und wohlbehütetes Ding. Sie wagt kaum, seine Hand zu berühren.«
Seine Worte verliehen Malta die Kraft, sich zu bewegen. Ihr war kalt, und dennoch kribbelte es sie am ganzen Körper, als sie ihre Hand in die des Satrapen legte. Sie fühlte sich weich an, als sie die ihre umschloss. Malta erschrak, als der Mann seine andere Hand auf ihre Hüfte legte und sie dichter an sich zog. »So tanzen wir diesen Tanz in Jamaillia-Stadt«, erklärte er beiläufig. Sein Atem strich ihr warm über das Gesicht. Der Abstand zwischen ihnen war so gering, dass sie fürchtete, er könnte hören, wie ihr Herz pochte. Er führte sie in den Tanz.
Fünf Schritte lang rang sie unbeholfen um ihr Gleichgewicht und bewegte sich hinter seinen Schritten. Doch dann packte sie die Musik, und es war so einfach, als hielte sie Raches Hand und bewege sich zu ihren Takten durch das Frühstückszimmer. Die anderen Tänzer, der hell erleuchtete Raum und selbst die Musik verblassten. Es existierte nur dieser Mann - und die Bewegungen ihrer Körper, die sich gleichzeitig drehten. Sie musste den Kopf heben, um ihn ansehen zu können. Er lächelte sie an.
»Ihr seid so zierlich, wie ein Kind. Oder eine entzückende kleine Puppe. Und Euer Haar duftet nach Blumen.«
Auf diese Komplimente fielen ihr keine Antworten ein, ja, sie konnte sich nicht einmal dafür bedanken. Ihre gewohnte Koketterie war plötzlich wie weggefegt. Sie versuchte zu sprechen. »Werdet Ihr wirklich Eure Schiffe aussenden, um meinen Vater zu retten?«
Er hob eine Braue. »Gewiss. Warum sollte ich das nicht tun?«
Malta senkte den Blick und schloss die Augen. Die Musik und sein Körper, der sie führte, waren alles, was sie brauchte. »Es kommt mir so einfach vor.« Sie schüttelte unmerklich den Kopf. »Nach allem, was wir bis jetzt erdulden mussten.«
Er lachte leise. Es klang beinahe so hoch wie das Kichern einer Frau. »Sagt mir eins, kleines Vögelchen, habt Ihr Euer ganzes Leben in Bingtown verbracht?«
»Selbstverständlich.«
»Nun. Dann erklärt mir, woher Ihr wissen wollt, wie diese Welt tatsächlich funktioniert.« Plötzlich zog er sie noch näher an sich heran, so dass ihre Brüste seinen Oberkörper streiften. Sie schnappte nach Luft und wich zurück. Dabei kam sie aus dem Takt. Er glich den Schritt jedoch schnell aus und führte sie weiter.
»Seid Ihr scheu, mein Vögelchen?«, fragte er leutselig, aber der Griff um ihre Hand verstärkte sich, bis er beinahe schmerzhaft war.
Die Musik hatte aufgehört. Er ließ ihre Hand los. Als Malta sich verstohlen umblickte, bemerkte sie, dass viele Leute miteinander tuschelten und sie ansahen, wenngleich sie sich bemühten, nicht direkt hinzustarren. Der Satrap verbeugte sich vor ihr, tief und elegant. Als sie in einen Hofknicks sank, flüsterte er: »Vielleicht sollten wir später über die Rettung Eures Vaters reden. Möglicherweise könnt Ihr mich dann besser überzeugen, wie viel Euch seine Rettung wirklich bedeutet.«
Sie konnte nicht aufstehen. Waren seine Worte eine Drohung? Würde er seine Schiffe nicht aussenden, um ihren Vater zu retten, weil sie vor seiner Berührung zurückgewichen war? Sie wollte hinter ihm herrufen, er möge warten, nur einen Augenblick warten! Aber er hatte sich bereits von ihr abgewandt. Eine Bingtowner Matrone dampfte mit ihrer Tochter im Schlepptau auf ihn zu und nahm ihn in Beschlag. Hinter Malta setzte die Musik wieder ein. Sie schaffte es endlich, sich aus ihrem Hofknicks zu erheben. Ihr war, als bekäme sie keine Luft mehr. Sie musste weg von der Tanzfläche, nur weg!
Blindlings manövrierte sie sich zwischen den Tanzenden hindurch und sah aus dem Augenwinkel Cerwin Trell. Offenbar steuerte er auf sie zu, aber ihn konnte sie jetzt unmöglich ertragen. Sie eilte weiter und suchte ihre Mutter in der Menge, ihre Großmutter, sogar ihren kleinen Bruder. Sie brauchte nur einen Moment einen sicheren Zufluchtsort, wo sie sich sammeln konnte. Hatte sie soeben die Chance zerstört, ihren Vater schnell zu retten? Hatte sie sich vor ganz Bingtown zur Närrin gemacht?
Jemand berührte ihren Arm, und sie schrie leise auf. Sie zuckte zurück und wirbelte herum. Wer war das? Der Mann war verschleiert, trug eine Kapuze und Handschuhe wie alle Regenwildmänner, aber sie wusste sofort, dass es sich um Reyn handeln musste. An niemandem sonst sah die verhüllende Kleidung eines Regenwildmannes so elegant aus. Sein Schleier bestand aus
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