Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
meiner Welt so geblieben, wie er war. Das ist mir ein Rätsel – eines, das ich erst lösen kann, wenn ich heimgekehrt bin.«
»Heimgekehrt?« Er versuchte, die Frage beiläufig klingen zu lassen. »Und wo ist das?«
»Heimkehren ist eine Möglichkeit. Nichts, worüber du dir jetzt Sorgen machen musst«, erwiderte sie. Sie lächelte, aber ihre Stimme klang kühler.
»Vielleicht ist es das, was du willst, wann du es willst?«, hakte er nach.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich lasse es dich wissen.«
Sie hielt inne. »Bis jetzt habe ich schließlich noch nicht von dir gehört, dass du meine Bedingungen annimmst.«
Vorsicht, Vorsicht. »Ich handle nicht überstürzt. Ich würde gern vorher noch mehr darüber erfahren.«
Sie lachte laut. »Was für ein albernes Thema. Du wirst zustimmen. Denn du hast noch weniger eine Wahl in dem Leben, das wir teilen werden, als ich. Was bleibt uns denn noch, wenn nicht wir beide? Du bringst mir Geschenke, nicht wahr? Das ist angebrachter, als du ahnst. Aber ich werde nicht darauf warten, bis du sie mir präsentierst – ich werde dir vorher verraten, dass ich ein weit größerer Schatz bin, als du dir jemals hättest erträumen lassen. Träume größer, Kennit, als du jemals geträumt hast. Träume von einem Schiff, das die Schlangen aus der Tiefe herbeirufen kann, um uns zu helfen. Ich kann ihnen befehlen. Was sollen sie für dich tun? Ein Schiff anhalten und vernichten? Ein anderes Schiff sicher dorthin begleiten, wo es hinwill? Dich durch einen Nebel führen? Den Hafen deiner Stadt vor allem bewachen, was ihn angreifen könnte? Träume groß und noch viel größer, Kennit. Und dann akzeptiere die Bedingungen, die ich dir nenne!«
Er räusperte sich. Sein Mund war trocken. »Du verlangst zu viel«, erwiderte er kühn. »Was kannst du von mir wollen, und was könnte ich dir noch geben, nach allem, was du mir anbietest?«
Sie kicherte. »Ich werde es dir sagen, wenn du es nicht selbst siehst. Du bist der Atem meines Körpers, Kennit. Ich muss mich auf dich und deine Mannschaft verlassen, wenn ich mich bewegen will. Wenn ich schon in dieser Hülle gefangen bin, dann will ich einen kühnen Kapitän haben, der mir Flügel verleiht, auch wenn sie nur aus Leinwand sind. Ich will einen Kapitän, der die Freuden der Jagd kennt und Verlangen nach Macht empfindet. Ich brauche dich, Kennit. Willige ein.« Ihre Stimme wurde leiser und dunkler. »Willige ein.«
Er holte tief Luft. »Einverstanden.«
Sie warf den Kopf zurück und lachte. Es war, als würden Glocken läuten. Selbst der Wind schien bei diesem Geräusch stärker zu wehen.
Kennit lehnte sich an die Reling. Er war begeistert und konnte kaum glauben, dass seine Träume zum Greifen nah waren. Er suchte nach Worten. »Wintrow wird sehr enttäuscht sein. Der arme Junge.«
Das Schiff nickte und seufzte. »Er verdient etwas Glück. Sollen wir ihn in sein Kloster zurückschicken?«
»Ich glaube, das wäre die klügste Entscheidung«, stimmte Kennit zu. Er ließ sich nicht anmerken, wie sehr es ihn überraschte, dass sie das sagte. »Trotzdem wird es mir schwer fallen, ihn gehen zu sehen. Es hat mir fast das Herz zerrissen, seine Schönheit so vernichtet zu sehen. Er war ein sehr hübscher Junge.«
»In seinem Kloster wird er sich wohler fühlen, davon bin ich überzeugt. Ein Mönch hat wenig Verwendung für glatte Haut.
Aber… Sollen wir ihn trotzdem heilen? Als Abschiedsgeschenk? Eine Erinnerung, die er immer bei sich trägt, damit er nie vergisst, wie wir ihn geformt haben?« Blitz lächelte und zeigte ihm ihre weißen Zähne.
Kennit mochte es kaum glauben. »Das kannst du auch?«
Das Schiff lächelte verschwörerisch. »Das kannst du auch tun. Das ist doch viel wirksamer, hm? Geh jetzt in seine Kabine. Leg deine Hände auf ihn und wünsche ihm alle Gute. Ich werde dich für den Rest des Weges anleiten.«
Wintrow fühlte sich merkwürdig lethargisch. Er hatte versucht zu meditieren und war dann immer tiefer und tiefer in einen mentalen Abgrund gesunken. Dort lag er und wartete unbeteiligt darauf, was ihm wiederfuhr. Hatte er endlich ein tieferes Stadium des Bewusstseins erreicht? Er merkte vage, wie sich eine Tür öffnete.
Dann fühlte er Kennits Hände auf seiner Brust. Wintrow bemühte sich, die Augen zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Er konnte nicht aufwachen. Eine Hand drückte ihn nieder; sie schien zu glühen. Er hörte Stimmen. Kennit redete, und Etta antwortete. Gankis sagte ebenfalls leise etwas.
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