Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
die Stadt wirkte ungemütlich. Die Leute hasteten eilig an ihnen vorbei und warfen dem Karren misstrauische Blicke zu. Reyn hatte das Gefühl, dass sie einen Umweg zu Teniras Haus fuhren. Am Tor winkten Bewaffnete Grag hinein und schlossen das Tor hinter dem Karren. Als Grag das Pferd anhielt, wurde die Haustür weit geöffnet. Naria Tenira und zwei Schwestern von Grag waren unter den Menschen, die heraustraten. Sie alle wirkten verängstigt.
»Hast du sie gefunden? Sind sie in Sicherheit?«, erkundigte sich Grags Mutter, als Reyn das Segeltuch zurückschlug.
Sofort krabbelte Selden aus dem Karren. »Großmutter!«, rief er. »Großmutter!«
Auf der Schwelle des Tenira-Anwesens stand Ronica Vestrit und fing ihren Enkel mit ausgebreiteten Armen auf.
Satrap Cosgo, Erbe des Perlenthrons und des Mantels der Rechtschaffenheit, zupfte an seiner Brust und schälte einen langen, hauchdünnen Streifen Haut ab. Malta wandte den Blick ab, damit er ihre Grimasse nicht sah. »Das ist ja unerträglich«, beschwerte sich der Satrap. »Meine Haut ist ruiniert! Was für ein unansehnliches Rosa! Mein Teint wird niemals wieder so schön werden, wie er einmal war!« Er sah sie anklagend an.
»Der Poet Mahnke hat einmal die Haut meiner Stirn mit dem schimmernden Glanz einer Perle verglichen. Jetzt bin ich entstellt!«
Malta fühlte, wie Kekki ihr das Knie in den Rücken rammte.
Die Gefährtin lag auf einem Strohsack vor dem Bett des Satrapen, und Malta hockte neben ihr auf dem Boden. Es war ihr Platz in dem kleinen Raum. Malta zuckte bei dem stechenden Schmerz in ihrem Rücken zusammen, begriff aber den Wink.
Sie dachte kurz nach. »In Bingtown«, log sie, »wird behauptet, dass eine Frau, die ihr Gesicht einmal im Jahr mit Wasser aus dem Regenwildfluss wäscht, niemals altert. Es ist zwar eine sehr unbequeme Behandlung, aber angeblich hält sie den Teint jung und schön.«
Kekki seufzte anerkennend. Malta hatte ihre Sache gut gemacht. Cosgos Laune besserte sich schlagartig. »Schönheit verlangt ihren Preis, aber ich habe mich noch nie von einer kleinen persönlichen Unbequemlichkeit abschrecken lassen. Trotzdem frage ich mich, was aus dem Schiff geworden ist, das wir angeblich an der Mündung des Regenwildflusses treffen sollten.
Ich habe allmählich genug von dieser schwankenden Schaluppe. Ein Schiff von dieser geringen Größe ist einfach nicht für das offene Meer geeignet.«
Malta senkte den Blick und verkniff sich eine Bemerkung über seine Ahnungslosigkeit. Die Chalcedeaner reisten oft Monate ohne Pause auf ihren Galeeren. Ihre Fähigkeit, selbst mit kleinsten Rationen auszukommen und die Härte des Lebens an Bord eines Schiffes zu ertragen, war legendär.
Sie hatten die Mündung des Regenwildflusses schon vor Tagen erreicht. Der Satrap war wütend gewesen, weil das Mutterschiff der Chalcedeaner noch nicht da war, um sie aufzunehmen. Malta war ebenfalls enttäuscht, aber darüber, dass keine Lebensschiffe die Mündung bewachten. Sie hatte das alles ertragen, weil sie sich eingeredet hatte, Bingtowner Lebensschiffe würden die Galeere aufbringen und sie retten. Als die Galeere unbehelligt das offene Meer erreichte, war Maltas Verzweiflung fast ins Unerträgliche gestiegen. Was für eine Närrin war sie, dass sie von Rettung geträumt hatte! Solche Träume hatten sie nur geschwächt. Wütend verbannte sie solche Gedanken aus ihrem Herzen. Keine Lebensschiff-Patrouille, kein Reyn, der nach ihr suchte, keine Träume. Niemand würde wie aus dem Nichts auftauchen und sie befreien. Vermutlich konnte nur sie selbst sich retten. Sie hütete sich, ihre Gedanken dem Satrapen oder Kekki mitzuteilen. Zum Beispiel den, dass die Galeere offenbar Probleme hatte. Sie krängte und nahm mehr Wasser auf, als sie sollte. Zweifellos hatte der Regenwildfluss seinen Tribut gefordert, ihre Fugen aufgeweicht und sogar ihre Planken poröser gemacht. Seit sie den Fluss verlassen hatten, segelten sie nach Norden, nach Chalced. Dabei hielt die Galeere sich dicht an der Küstenlinie. Wenn das Schiff auseinander brach, hatten sie wenigstens noch eine winzige Chance, das Ufer zu erreichen. Sie vermutete, dass der Kapitän nach Hause wollte und alles daransetzte, mit seiner unerwarteten Fracht heil anzukommen.
»Wasser!«, krächzte Kekki. Sie sprach kaum noch, und sitzen konnte sie auch nicht mehr. Malta hielt sie so sauber, wie sie konnte, und wartete darauf, dass die Gefährtin starb. Der Mund der Frau war von Geschwüren gezeichnet, die aufrissen
Weitere Kostenlose Bücher