Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Freude, jemanden zu erleben, der sein Seemannsgarn so gut spinnt. Bedauerlicherweise füllt das meine Fässer nicht mit frischem Wasser. Ich würde gern einige Leute aus meiner Mannschaft damit beauftragen, aber mir ist aufgefallen, dass die alte Wasserpier vollkommen verschwunden ist. Wo nehmen die Schiffe jetzt Wasser auf? Außerdem habe ich der Mannschaft frisches Fleisch versprochen, falls man hier welches kaufen kann. Seid nett zu einem Fremden, und zeigt ihm den Weg zu einem ehrlichen Schlachter.«
Aber so leicht wurde er Maystar nicht los. Der grauhaarige Hafenmeister sagte ihm, wo er Wasser aufnehmen konnte, aber dann begann er, langatmig die Vor-und Nachteile der beiden Schlachter in Divvytown aufzuzählen. Brashen unterbrach den Mann kurz und übertrug Jek das Kommando über die Mannschaft. Sie konnten sich jetzt ihre Freizeit an Land nehmen, aber er ermahnte sie, dass sie die Frischwasserfässer des Paragon bis zum nächsten Mittag füllen sollten. »Seid bei Einbruch der Dunkelheit auf der Pier. Der Zweite kommt mit mir.«
Als ein Junge angerannt kam und Maystar atemlos berichtete, dass seine Schweine wieder ausgebrochen wären, stürmte der Alte davon. Dabei verfluchte er die hilflosen Tiere ausgiebig.
Brashen und Jek wechselten einen kurzen Blick. Sie stand auf und stieg über die Bank, auf der sie gesessen hatte. »Habt Ihr Lust, mir zu zeigen, wo wir unsere Wasserfässer füllen können?«, fragte sie den Mann, mit dem sie sich unterhalten hatte.
Er stimmte sofort zu. Ohne weitere Verzögerung verschwand die Mannschaft.
Es regnete mit unverminderter Stärke, als sie die Taverne verließen. Der Wind peitschte die Schauer vor sich her. Brashen und Althea gingen schweigend und einträchtig nebeneinander über den hölzernen Gehweg. In dem Graben, der darunter ausgehoben worden war, rauschte das Regenwasser zum Hafen hinunter. Nur wenige Gebäude zeigten stolz ihre Glasfenster.
Die meisten hatten wegen des Wolkenbruchs ihre Fensterläden fest geschlossen. Die Stadt wies längst nicht die Eleganz oder Schönheit von Bingtown auf, aber sie diente demselben Zweck.
Althea konnte den Handel beinahe riechen. Für eine Stadt, die vor noch gar nicht so langer Zeit niedergebrannt worden war, hatte sich Divvytown gut erholt. Sie gingen an einer anderen Taverne vorbei, die aus groben Holzplanken zusammengezimmert worden war. In ihr sang jemand ein Lied zu einer Harfe. Nachdem sie angelegt hatten, war noch ein Schiff eingelaufen und an der Pier vertäut worden. Eine Reihe von Männern mit Karren löschte die Fracht und brachte sie in ein Lagerhaus.
Divvytown war ein blühender kleiner Handelshafen, und überall dankten die Menschen Kennit dafür.
Die Leute, die auf der Flucht vor dem Regen über den Gehweg liefen, waren verblüffend vielfältig und unterschiedlich gekleidet. Einige Sprachen, die Brashen und Althea hörten, kannten sie nicht einmal. Viele Menschen wiesen Tätowierungen auf, und zwar nicht nur auf ihren Gesichtern, sondern auch auf ihren Armen, Waden und Händen. Nicht alle Gesichtstätowierungen waren Sklavenzeichen. Einige hatten sich selbst mit fantasievollen Mustern geschmückt.
»Es ist verständlich«, meinte Brashen ruhig. »Viele tragen Tätowierungen, die sie nicht mehr ausradieren können. Also verstecken sie diese Male unter anderen. Sie verbergen die Vergangenheit unter einer strahlenden Zukunft.«
»Eigenartig«, murmelte Althea.
»Nein«, widersprach er. Sie drehte sich bei dem scharfen Klang seiner Stimme verblüfft um. Gelassener fuhr er fort:
»Ich kann diesen Impuls verstehen. Du weißt nicht, Althea, wie sehr ich darum gekämpft habe, die Menschen dazu zu bringen, den Mann zu sehen, der ich bin, statt des ungebärdigen Jungen, der ich war. Wenn tausend Nadelstiche in mein Gesicht meine Vergangenheit verbergen könnten, würde ich sie gern ertragen.«
»Divvytown ist ein Teil deiner Vergangenheit.« In ihrer Stimme schwang kein Vorwurf mit.
Er sah sich in dem geschäftigen Hafen um, als würde er einen anderen Ort und eine andere Zeit wahrnehmen. »Das war es.
Das ist es. Ich war zuletzt mit der Springeve hier, und das war alles andere als eine ehrliche Arbeit. Einige Jahre davor war ich jedoch schon einmal hier. Ich hatte erst ein paar Reisen auf dem Buckel, als Piraten das Schiff kaperten, auf dem ich fuhr.
Sie stellten mich vor die Wahl: Überlaufen oder über die Planke gehen. Ich lief zu ihnen über.« Er strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht und sah Althea
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