Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
geschleudert. Niemand wollte, dass er dort starb!«
Ronica erwiderte seinen gereizten Blick eisig. »Eure Absichten machen keinen großen Unterschied. Ihr habt Euch nicht darum gekümmert, um keinen von uns. Malta hat gehört, was Ihr in der Nacht gesagt habt, als Ihr sie dem Tode überlassen habt. Sie hat Euch gesehen, Euch gehört und überlebt. Was sie keinem von Euch zu verdanken hat. Händler, Händlersohn, ich denke, Ihr habt heute Abend genug, worüber Ihr nachdenken könnt. Gute Nacht.«
Die alte Frau schaffte es trotz ihrer verschlissenen Kleidung, hoheitsvoll den Raum zu verlassen. Die Erleichterung, die Serilla bei Ronicas Abgang verspürte, währte indes nur kurz. Als sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte, bemerkte sie zu ihrem Missbehagen die Mienen der Männer um sie herum. Als sie sich daran erinnerte, was sie gesagt hatte, als die Männer in das Zimmer gekommen waren, zuckte sie zusammen. Sie musste sich rechtfertigen. »Diese Frau ist nicht bei Verstand«, erklärte sie leise. »Ich glaube wirklich, dass sie mir etwas angetan hätte, wenn Ihr nicht gekommen wärt.« Leise fügte sie hinzu: »Es ist vielleicht besser, sie irgendwo einzusperren… zu ihrer eigenen Sicherheit.«
»Ich kann nicht glauben, dass der Rest ihrer Familie ebenfalls überlebt hat«, begann Krion nervös, aber Roed Caern unterbrach ihn wütend.
»Halt den Mund!«, befahl er ihm. Er sah sich finster im Raum um. »Ich stimme der Gefährtin zu. Ronica Vestrit ist verrückt.
Sie redet davon, das Konzil anzurufen, von Mordprozessen und Urteilen! Wie kann sie glauben, dass solche Regeln während des Krieges noch Gültigkeit haben? In solchen Zeiten müssen starke Männer handeln. Wenn wir in der Nacht der Brände darauf gewartet hätten, dass das Konzil zusammentritt, befände sich Bingtown jetzt in chalcedeanischer Hand. Der Satrap wäre tot, und uns hätte man die Schuld in die Schuhe geschoben.
Einzelne Händler mussten handeln, und sie alle haben es getan.
Wir haben Bingtown gerettet! Ich bedaure, dass Restate und die Vestrit-Frauen in die Gefangennahme des Satrapen verwickelt worden sind, aber schließlich war es ihre Entscheidung, mit ihm in einer Kutsche zu fahren. Dadurch, dass sie sich diese Gesellschaft ausgesucht haben, haben sie auch ihr Schicksal entschieden.«
»Gefangennahme?« Händler Drur sah ihn fragend an. »Mir wurde gesagt, wir hätten verhindert, dass die Neuen Händler ihn ergriffen.«
Roed Caern zuckte nicht mit der Wimper. »Ihr wisst, was ich meine«, knurrte er und wandte sich rasch ab. Er ging zu einem Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit, als wollte er Ronica hinterherschauen.
Drur schüttelte den Kopf. Der ergraute Händler sah älter aus, als er tatsächlich war. »Ich weiß, was wir erreichen wollten, aber irgendwie…« Er brach ab. Dann sah er alle Anwesenden nacheinander an. »Deswegen sind wir heute Abend hergekommen, Gefährtin Serilla. Meine Freunde und ich fürchten, dass wir bei dem Versuch, Bingtown zu retten, das Herz der Stadt, das, was sie ausmacht, der Vernichtung überantwortet haben.«
Roeds Miene verfinsterte sich vor Wut. »Und ich bin hier, um zu verkünden, dass die, die jung genug sind, um dieses Herz am Schlagen zu halten, wissen, dass wir noch nicht weit genug gegangen sind. Ihr möchtet gern mit den Neuen Händlern verhandeln, nicht wahr, Drur? Obwohl sie bereits auf unser Waffenstillstandsangebot gespuckt haben. Ihr würdet mein Geburtsrecht zugunsten eines gemütlichen Lebensabends für Euch selbst verschachern. Nun, Eure Tochter mag vielleicht zu Hause sitzen und nähen, während Männer in den Straßen von Bingtown sterben. Sie mag Euch erlauben, vor diesen neuen Emporkömmlingen zu kriechen und unsere Rechte um des lieben Friedens willen zu verschenken, aber wir werden das nicht tun.
Was kommt als Nächstes? Würdet Ihr sie auch den Chalcedeanern überlassen, um den Frieden mit ihnen zu erkaufen?«
Händler Drurs Gesicht lief puterrot an, und er ballte die Hände zu Fäusten.
»Meine Herren, bitte«, sagte Serilla leise. Die Spannung im Raum war fühlbar. Serilla saß in ihrer Mitte wie die Spinne in ihrem Netz. Die Händler drehten sich zu ihr um und warteten, was sie sagen würde. Furcht und Beunruhigung, die sie vorhin noch gespürt hatte, wurden von dem Triumph verzehrt, der jetzt in ihr brannte. Bingtown-Händler stellten sich gegen Bingtown-Händler, und sie waren zu ihr gekommen, um Rat zu erbitten. So hoch schätzten sie sie also. Wenn sie
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