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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Zeit damit zu verschwenden, andere zu beeindrucken.« Sie redete, als würde sie einer widerspenstigen Tochter Manieren beibringen. Ohne um Erlaubnis zu fragen, trat sie an den Schreibtisch und öffnete den Aktenordner, den sie mitgebracht hatte. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden, das Euch interessieren könnte.«
    Serilla trat ans Feuer. »Das glaube ich kaum«, murmelte sie gereizt. Ronica war viel zu hartnäckig dabei, Beweise zusammenzutragen. Ihre ständigen Tricks, Serilla in die Irre zu führen, waren lästig und machten ihre eigenen Täuschungsversuche höchst durchschaubar.
    »Seid Ihr es so schnell Leid, Satrap zu spielen?«, erkundigte sich Ronica kalt. »Oder ist das vielleicht die Art, wie sich Eurer Meinung nach ein Herrscher benehmen sollte?«
    Serilla hatte das Gefühl, als habe man sie geohrfeigt. »Wie könnt Ihr es wagen!«, protestierte sie. Dann sah sie etwas, was sie noch mehr erschütterte. »Wo habt Ihr diesen Schal her?«, wollte sie wissen. Serilla hatte ihn mit Sicherheit in Davads Schlafzimmer gesehen. Dort hatte er über einer Sessellehne gehangen. Wie ungeheuerlich von der Frau, ihn sich einfach zu nehmen!
    Einen Augenblick wirkten Ronicas Augen ganz dunkel, als hätte Serilla ihr Schmerzen zugefügt. Dann wurde ihre Miene weich. Sie strich zärtlich über den Stoff, den sie sich um die Schultern gelegt hatte. »Ich habe ihn selbst angefertigt«, erwiderte sie leise. »Vorjahren, als Dorill mit ihrem ersten Kind schwanger war. Ich wusste, dass sie den Schal geliebt hat, aber es hat mich gerührt zu sehen, dass Davad von allen Dingen ausgerechnet diesen Schal aufbewahrt hat, damit er ihn an sie erinnerte. Sie war meine Freundin. Ich brauche Eure Erlaubnis nicht, um mir ihre Dinge zu borgen. Schließlich seid Ihr hier der Eindringling und Plünderer, nicht ich.«
    Serilla starrte sie an, sprachlos vor Wut. Die einzige Vergeltung, die ihr einfiel, war ziemlich armselig. Sie würde sich die schwachen Beweise der Frau nicht ansehen. Diese Genugtuung würde sie ihr nicht gewähren. Sie presste die Lippen zusammen und kehrte ihr den Rücken zu. Das Feuer wurde schwächer.
    Deshalb war ihr plötzlich so kalt! Gab es denn nirgendwo in Bingtown anständige Dienstboten? Ärgerlich nahm Serilla den Schürhaken in die Hand und versuchte, die Flammen neu zu entfachen.
    »Wollt Ihr Euch jetzt diesen Ordner mit mir ansehen oder nicht?«, wollte Ronica wissen. Sie stand da und deutete mit dem Finger auf einen Eintrag, als wäre der von ungeheurer Bedeutung.
    Serilla ließ ihrem Ärger freien Lauf. »Wie kommt Ihr darauf, dass ich Zeit für so etwas habe? Glaubt Ihr denn, dass ich nichts Besseres zu tun hätte, als mir die Augen an der krakeligen Handschrift eines Toten zu verderben? Wacht auf, alte Frau, und seht, was Bingtown alles bevorsteht, statt Eurer privaten Besessenheit nachzugehen. Eure Stadt stirbt, und Eure Leute haben nicht genug Rückgrat, um sich ihrem Tod entgegenzustemmen. Trotz meiner Befehle plündern und stehlen die Sklavenbanden unbeeindruckt weiter. Ich habe angeordnet, dass sie gefangen genommen und gezwungen werden, in einer Armee zu dienen, die die Stadt verteidigen soll, aber bisher ist nichts passiert. Die Straßen sind voller Müll, aber bisher hat sich noch keiner bemüht, sie zu säubern. Die Geschäfte sind geschlossen, und die Menschen verstecken sich wie feige Kaninchen hinter den Türen ihrer Häuser.« Sie schlug mit dem Haken auf einen Scheit ein, dass die Funken nur so in den Schornstein stoben.
    Ronica trat rasch zu ihr und kniete sich neben den Kamin.
    »Gebt mir das Ding!«, befahl sie barsch. Serilla ließ den Schürhaken verächtlich zu Boden fallen. Die Bingtown-Händlerin ignorierte die Beleidigung. Sie nahm ihn hoch und schob die halb verbrannten Scheite in die Mitte des Feuers.
    »Ihr betrachtet Bingtown aus der falschen Perspektive«, sagte sie. »Unser Hafen ist das Wichtigste, was wir halten müssen.
    Und was die Plünderungen und das Chaos angeht… Daran tragt Ihr genauso viel Schuld wie meine Händlerkollegen. Sie sitzen wie eine große Herde Trottel herum. Die eine Hälfte wartet darauf, dass Ihr ihnen sagt, was sie tun sollen, und die andere Hälfte wartet auf jemand anderen. Ihr habt diese Zerrissenheit zwischen uns gesät. Hättet Ihr nicht verkündet, dass Ihr im Namen des Satrapen sprecht, hätte das Bingtowner Konzil längst die Verantwortung übernommen, wie es das immer getan hat. Jetzt jedoch meinen einige Händler, dass sie auf Euch hören

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