Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
die Hand und deutete auf eine Stelle vor Althea. Im gleichen Moment schrie Lop laut auf. Haff stimmte in den Schrei mit ein, ließ sein Ruder fallen und richtete sich halb auf. Althea blickte in die Richtung, in die Amber deutete. Im nächsten Augenblick erstarrte sie.
Das Meer um Viviaces Bug schäumte von Seeschlangen.
Schädel um Schädel erhob sich glitzernd aus den Fluten, bis ein Wald von Seeschlangenhäuptern zwischen Althea und ihrem Schiff wogte. Ihr wäre vor Angst beinahe das Herz aus dem Hals gehüpft. Haff kauerte sich auf dem Boden des Bootes zusammen und brabbelte unverständliches Zeug, während Jek fragte: »Rudern wir zurück?« Lop kroch durch das Boot und ergriff hoffnungsvoll Haffs Ruder. Althea fehlten die Worte.
Sie musste irgendetwas tun. Nun war sie so weit gekommen, nur um miterleben zu müssen, wie die Viviace vor ihren Augen unterging. Was dann jedoch geschah, war noch viel schlimmer.
Viviace warf den Kopf zurück und sang für diese Kreaturen.
Ihr Hals schwoll an, und sie öffnete weit den Mund.
Unmenschliche Laute, Schreie, Stöhnen und Pfiffe drangen heraus. Die Schlangen wiegten ihre Hälse, gefesselt von ihrem Lied. Nach einer Weile antworteten sie, ebenfalls singend, als wären sie von ihr verzaubert. Althea merkte kaum, dass sie selbst sich halb erhoben hatte und die Galionsfigur anstarrte.
Eine böse Ahnung durchströmte sie. Viviace sprach mit den Schlangen, das war deutlich zu sehen, und sie antworteten ihr.
Als die Galionsfigur ihr Gesicht verzerrte, um die fremden Laute auszustoßen, wirkte das genauso fremdartig wie das Wehen ihres Haares. Es erinnerte Althea an etwas, das sie zwar nicht oft gesehen hatte, das sie aber dennoch niemals vergessen würde. Es erinnerte sie an die Mähne einer Seeschlange, die sich entfaltete und aufrichtete, bevor sie ihr Gift ausschüttelte.
Warum ahmte Viviace das Verhalten einer Seeschlange nach?
Versuchte sie vielleicht, die Kreaturen dazu zu bringen, ihr nichts zu tun ?
Noch während Althea zu dem Schiff hinaufstarrte, regte sich eine eiskalte, schreckliche Gewissheit in ihr. Sie ignorierte sie, wie man den Rest eines fürchterlichen Albtraums abschüttelt, und weigerte sich, es zu akzeptieren. Mein, hämmerte sie sich halsstarrig ein. Die Viviace gehört mir, ist meine Familie, mein Blut. Trotzdem gab sie den Befehl. »Lop, Jek, machen wir, dass wir hier wegkommen. Haff, setz dich hin und halt den Mund, wenn du dich schon nicht nützlich machen kannst.« Sie ließ sich hastig auf die Bank zurückfallen, als Lop und Jek sich nur zu gern in die Riemen legten.
Viviace hob ihre große Hand. Sie würdigte Althea und die drei anderen Menschen in dem kleinen Kahn keines Blickes, sondern deutete befehlend auf den Paragon. Dabei stieß sie ein hohes, kreischendes Ki-ii-ii aus, das dem Schrei eines Falken ähnelte. Wie ein Schwarm Raubvögel drehten sich alle Seeschlangen zu dem blinden Lebensschiff um. Im nächsten Augenblick bewegte sich der ganze Wald aus Seeschlangen wie ein bunter, kräuselnder Teppich aus schillernden Farben zielstrebig auf ihn zu. Ihre Schädel teilten das Wasser, und ihre glänzenden Rücken woben sich durch das glitzernde Wasser, während sie auf den Paragon zuschossen. Althea hatte noch nie etwas so Wunderschönes und gleichzeitig so Schreckliches gesehen. Die Schlangen rissen ihre Mäuler weit auf und zeigten ihre roten Gaumen und weißen Zähne. Wie Blumen, die in der Sonne aufblühen, spreizten sich ihre vielfarbigen Mähnen und stellten sich auf wie todbringende Blütenstempel.
Auf dem Deck des Paragon bellte Brashen Befehle. Sie sollten umdrehen und sofort zum Schiff zurückkommen, als könnte allein sein Befehl das kleine Boot schneller machen.
Althea sah zu den herannahenden Seeschlangen zurück und wusste, dass es zu spät war. Auch wenn Lop und Jek wie verrückt ruderten und das kleine Boot mit tiefen Schlägen durch das Wasser trieben, konnten die beiden Ruderer und der kleine Kahn diesen Kreaturen des Meeres unmöglich entkommen. Der arme Haff kauerte auf dem Boden des Bootes und keuchte vor Panik. Er wurde von seinen Erinnerungen an seine letzte Begegnung mit den Seeschlangen geschüttelt.
Althea konnte es ihm nicht verdenken. Sie beobachtete, wie die Seeschlangen näher kamen, und war wie gebannt von der Gefahr. Dann erhob sich eine gewaltige blaue Schlange hoch über das Boot, und ihre aufgerichtete Mähne bildete einen gewaltigen Schirm aus Tentakeln.
Alle im Boot schrieen vor Furcht auf, aber
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