Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
fühlen ihre Gegenwart im Wasser. Sieht sie mich an?«
»Ja. Sie sehen dich alle an.«
»Gut.« Die Galionsfigur holte wieder Luft, und erneut strömte diese hohl tönende Sprache der Seeschlangen aus seinem Mund.
Shreeva folgte Maulkin mit schwerem Herzen. Ihre Loyalität zu ihm stand außer Frage. Sie wäre ihm auch unter Eis gefolgt.
Shreeva hatte seine Entscheidung akzeptiert, als er seine Vorherrschaft Der, die sich erinnert, unterstellt hatte. Sie selbst hatte der verkrüppelten Schlange ein Vertrauen entgegengebracht, das nicht nur durch ihren einzigartigen Duft hervorgerufen wurde. Shreeva war sich vollkommen sicher, dass diese beiden Schlangen zusammen ihre ganze Rasse retten konnten.
Aber in letzter Zeit schien es ihr, als hätten ihre beiden Anführer dem silbernen Schiff, das sich Blitz nannte, die Befehlsgewalt übergeben. Shreeva mochte ihr einfach nicht vertrauen. Auch wenn das silberne Schiff wie Eine, die sich erinnert, roch, hatte sie weder die Gestalt noch das Benehmen einer Seeschlange. Ihre Befehle an das Knäuel waren oft höchst merkwürdig, und ihre Versprechungen, sie sicher zu einem Kokongrund zu führen, begannen immer mit »bald«. »Bald«
und »morgen« waren aber Zeitvorgaben, die sich die Seeschlangen nicht mehr leisten konnten. Der Winter kühlte das Wasser immer mehr aus, und die wandernden Schwärme von Fischen wurden immer kleiner. Die Seeschlangen nahmen immer weiter ab. Wenn sie sich nicht bald verpuppten, würden sie nicht mehr genug Reserven haben, um den Winter zu überstehen, geschweige denn, um eine Metamorphose zu bewältigen.
Aber die, die sich erinnert, glaubte der Silbernen, und Maulkin vertraute der Schlange. Also folgte Shreeva ihm, wie auch Sessurea und der Rest des Knäuels. Selbst wenn dieser letzte Befehl des Schiffes überhaupt keinen Sinn machte. Sie sollten das andere silberne Schiff zerstören. Warum?, hatten sie das Schiff gefragt. Das andere Silberne hatte sie weder bedroht noch herausgefordert. Es roch nach Schlange, wenn auch auf eine verwirrende, gedämpfte Art und längst nicht so stark wie Blitz, aber der Geruch war unverkennbar da. Warum also sollten sie ihn zerstören? Vor allem, warum durften sie ihn vernichten, ihn aber nicht verzehren? Warum war es nicht besser, ihn in Stücke zu zerhacken, auf den Meeresgrund sinken zu lassen und ihn dann unter sich aufzuteilen? Sein Duft verriet, dass er voller Erinnerungen steckte. Das andere Lebensschiff, das sie versenkt hatten, hatte ihnen bereitwillig sein Fleisch und seine Erinnerungen gegeben. Warum sollte es bei diesem hier anders sein?
Doch Blitz hatte ihnen genaue Anweisungen gegeben. Sie sollten das Schiff mit ihrem Gift einsprühen, damit seine Struktur aufgeweicht wurde. Dann sollten sich die größeren Männchen gegen das Schiff werfen, damit es sich auf die Seite legte. Sobald seine Schwingen im Wasser waren, sollten die kleineren Schlangen ihr Gewicht und ihre Kraft einsetzen, es an seinen Gliedern packen und unter Wasser ziehen. Sie mussten es in Stücke schlagen und diese Stücke zum Meeresgrund sinken lassen. Nur die Zweibeiner durften sie fressen. Verschwendung. Es war eine dumme, fürchterliche Verschwendung von Energie, Leben und Nahrung. Hatte das Schiff etwas an sich, was Blitz fürchtete? Erinnerungen, die in dem silbernen Schiff verborgen waren und von denen die Seeschlangen nichts erfahren sollten?
Dann sprach das silberne Schiff. Seine Stimme war dunkel und kraftvoll und drang durch das Wasser. Sie berührte befehlend Shreevas Schuppen. Sie wurde langsamer, und ihre Mähne erschlaffte vor Verblüffung. »Warum greift ihr mich an?«, wollte er wissen. »Hat er euch dazu gebracht? Fürchtet er sich davor, sich mir zu stellen, und schickt andere, um diese Aufgabe auszuführen? So listig und heimtückisch war er bisher noch nie. Ich dachte, ich würde euch kennen. Ich wollte euch als die Erben der Drei Reiche grüßen. Aber das war ein Volk, das nur seine eigenen Ziele verfolgte. Sie beugten sich nicht den Wünschen eines Menschen oder krochen vor ihm.« Seine Stimme goss giftige Verachtung über die Schlangen aus.
Die gewaltigen Tiere schwammen verwirrt durcheinander. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass das Opfer mit ihnen sprach, ganz zu schweigen davon, dass es sie zur Rede stellte und anklagte. Die, die sich erinnert, sprach für alle: »Wer bist du? Was bist du?«
»Wer ich bin? Und was? Auf diese Fragen gibt es so viele Antworten, dass sie bedeutungslos sind. Ich habe
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