Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
alle Gründe kannte, aus denen er wollte, dass Paragon vernichtet wurde.
»Sag mir, warum er vernichtet werden soll. Sprich es aus.«
Er atmete tief durch und erwiderte ihren Blick. »Ich vermute, dass meine Motive dieselben sind wie die deinen«, entgegnete er kalt. »Du willst nicht, dass Althea an Bord kommt, weil du Angst hast, dass sie dich wieder zu dem machen könnte, was du vorher warst.« Er hob den Blick und starrte den Paragon an.
»Da drüben schwimmt ein Stück von mir selbst, auf das ich gern verzichten möchte.«
»Dann scheint es für uns beide das Beste zu sein«, stimmte sie kühl zu. »Er ist verrückt. Ich kann nicht darauf zählen, dass er uns hilft, und schlimmer noch, als ein Lebensschiff könnte er uns den Fluss hinauffolgen und sich uns widersetzen. Er kann niemals wieder wie ein Drache fliegen. Also werden wir ihn von seinem Elend erlösen. Und dein Elend ebenso beenden, indem wir dich an mich binden. Nur an mich.«
Eifersucht. Diesmal war es unmissverständlich. Sie würde keine Rivalen dulden, die ihr Kennits Aufmerksamkeit streitig machten, ganz zu schweigen von einem derartig mächtigen Wettbewerber wie Paragon. In diesem Punkt waren sie sich ebenfalls ähnlich. Sie drückte das Kinn gegen ihre Brust und rief die Seeschlangen. Das Geräusch fühlte Kennit mehr, als dass er es hörte. Ihre Seeschlangeneskorte war etwas zurückgeblieben, um zu jagen und zu fressen, aber auf ihren Ruf hin eilten sie rasch herbei. Kennit fühlte ihre Antwort, und Sekunden später schien das Wasser unter dem Bug von Seeschlangen nur so zu kochen. Wiederum einen Augenblick später erhob sich ein Wald aus aufmerksam lauschenden Schädeln auf elegant geschwungenen Hälsen aus dem Wasser.
Die grüngoldene Schlange von Anderland schwamm an der Spitze der Meute. Als Blitz schwieg, öffnete sie ihr Maul und trompetete dem Schiff eine Frage zu. Blitz bog den Kopf zurück und sang. Ihre Stimme kämpfte gegen einen Wind, der zu einem Sturm zu werden versprach. Es gab einen Austausch von Knurren, Fauchen, Bellen und hohen, dünnen Schreien zwischen den beiden. Zwei andere Seeschlangen mischten sich ebenfalls ein. Kennit wurde unruhig. Das musste eine Diskussion über Blitzens Befehle sein. So etwas war vorher noch nie vorgekommen. Auch wenn das jetzt nicht der rechte Moment für so etwas war, wagte er es nicht, sie mit einer Frage zu unterbrechen. Seine eigene Mannschaft hörte und sah ebenfalls neugierig zu. Kennit blickte auf seine Hände, die die Reling umklammerten, und sah das kleine Gesicht, das ihn anstarrte. Er hob das Amulett dicht vor seine Augen.
»Widersprechen sie ihr?«, fragte er.
»Sie stellen die Notwendigkeit des Befehls in Frage. Die, die sich erinnert, glaubt, dass Paragon ihnen lebendig nützlicher sein könnte. Blitz meint, er wäre verrückt und ein untertäniger Diener der Menschen an Bord. Shreeva fragt, ob sie ihn wegen seiner Erinnerungen fressen sollten. Das will Blitz nicht. Die, die sich erinnert, will wissen, aus welchem Grund nicht. Und jetzt fragt Maulkin, ob das Schiff Wissen besitzt, das Blitz den Seeschlangen vorenthalten will.«
Blitz war sichtlich wütend, und Kennit bemerkte hinter sich seine gaffende Mannschaft. Noch nie zuvor hatten die Seeschlangen gezögert, Blitzens Befehle auszuführen. Ohne sich umzudrehen, befahl er Jola: »Schick die Männer auf ihre Posten.« Der Maat gehorchte, und die Mannschaft setzte sich in Bewegung.
»Was sagen sie?«, fragte Kennit sein Amulett.
»Sieh selbst«, erwiderte es. »Sie werden ihr gehorchen.«
Brashen war an Bord des Paragon geblieben. Es war nicht ratsam, wenn sie beide das Schiff verließen, und Althea konnte es nicht ertragen, der Viviace so nah zu sein und nicht mit ihr zu reden. In dem kleinen Beiboot legten sich Haff und Jek in die Riemen. Lop hockte mit der Anlegeleine im Bug und starrte grimmig geradeaus. Althea saß steif im Heck. Sie war frisch gewaschen und hatte rasch dieselben Kleider angelegt, die sie getragen hatte, als der Paragon Bingtown verließ. Ihr missfiel zwar das Gewicht des Hosenrocks, aber dieser Anlass verlangte formelle Kleidung, und dies hier waren die besten Kleidungsstücke, die sie besaß. Der kalte Wind zupfte an ihrem geflochtenen und festgesteckten Haar. Hoffentlich sah Kennit ihr formales Äußeres nicht als Versuch, sich hinter weiblicher Kleidung zu verstecken. Es war wichtig, dass er sie ernst nahm.
Sie drehte nervös die Schriftrolle in ihren Händen und starrte auf ihr Ziel. Auf dem
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