Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
die riesige Kreatur schob sie einfach nur beiseite. Das kleine Boot schwankte wie wild in dem Kielwasser der Schlange und wurde im nächsten Augenblick von der nachfolgenden Schlange getroffen und herumgewirbelt. Eine andere Kreatur riss Jek das Ruder aus der Hand und riss dabei die Ruderdolle aus ihrer Verankerung. Es blieb ihnen nur, sich tief ins Boot zu kauern und zu hoffen, dass es nicht kenterte. Althea hielt sich so krampfhaft an ihrem Sitzbrett fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Ob sie das überleben konnten? Als sich das wilde Schwanken des Bootes endlich beruhigte, sah sie entsetzt, dass sich die Schlangen um den Paragon versammelten. Aber sie konnte nichts für das Schiff oder die Mannschaft tun. Also zwang sie sich dazu, zu überlegen, welche Maßnahmen sie ergreifen konnte.
Schließlich übernahm der Erste Maat wieder die Kontrolle.
»Nimm das Ruder und bring uns zur Viviace «, befahl sie Jek.
»Sie ist unsere einzige Hoffnung. Durch all die Schlangen schaffen wir es niemals zurück zum Paragon .«
Brashen musste hilflos mit ansehen, wie Altheas winzige Nussschale in dem Kielwasser der vorbeischwimmenden Seeschlangen schwankte und kreiselte. Dabei überlegte er krampfhaft, welche Möglichkeiten ihm blieben. Er würde sie auch nicht retten können, wenn er noch ein Beiboot zu Wasser ließ. Außerdem würde er damit nur das Leben von noch mehr Matrosen riskieren. Falls Altheas Boot kenterte, konnte er nichts für sie tun. Er wandte den Blick von ihnen ab und holte tief Luft. Als er wieder hinsah, betrachtete er sie als Kapitän.
Er durfte sie jetzt nicht als seine Geliebte sehen. Wenn er überhaupt an sie glaubte, musste er ihr zutrauen, dass sie für ihr Boot und die Mannschaft darin sorgen konnte. Sie würde von ihm dasselbe erwarten. Dem Schiff musste jetzt seine vordringlichste Verantwortung gelten.
Was nicht hieß, dass er viel tun konnte. Trotzdem gab er seine Befehle. »Lichtet den Anker. Ich will manövrieren können, falls das nötig sein sollte.« Hatte er das nur gesagt, damit die Männer etwas zu tun hatten und nicht wie gebannt auf die herannahenden Seeschlangen starrten? Er sah Amber an. Sie hielt sich an der Reling fest und sprach leise mit Paragon , schilderte ihm alles, was sie sehen konnte.
Brashen dachte an seine anderen Begegnungen mit den Seeschlangen. Als er an Haffs Seeschlange dachte, beorderte er die besten Bogenschützen an die Reling. »Schießt nicht, bevor ich es euch befehle!«, sagte er nachdrücklich. »Und wenn ihr schießt, dann nur, wenn ihr sicher die bunte Stelle hinter dem Kiefergelenk trefft! Kein anderes Ziel! Wenn ihr nicht treffen könnt, wartet, bis ihr es schafft. Jeder Schuss muss sitzen!« Er sah Amber an. »Wollen wir das Schiff bewaffnen?«
»Er will nicht«, antwortete sie leise.
»Ich will auch deine Bogenschützen nicht!« Paragons Stimme klang rau. »Hör mir zu, Brashen Trell. Befiehl deinen Männern, ihre Bögen und die anderen Waffen zu senken. Haltet sie griffbereit, aber schwingt sie nicht sichtbar herum.
Ich will nicht, dass diese Kreaturen getötet werden. Sie sind vermutlich keine Gefahr für mich. Wenn du mich auch nur ein kleines bisschen respektierst…« Paragon verstummte, breitete die Arme aus und schrie plötzlich laut: »Ich kenne euch. ICH KENNE EUCH!« Seine tiefe Stimme dröhnte durch das ganze Schiff. Langsam ließ er die Arme sinken. »Und ihr kennt mich.«
Brashen starrte ihn verwirrt an, befahl den Bogenschützen aber mit einer Geste, ihm zu gehorchen. Was meinte das Schiff? Doch noch während Paragon seinen Kopf zurückwarf und tief Luft holte, wusste Brashen plötzlich, dass das Schiff nicht mit der Mannschaft sprach, sondern zu den Seeschlangen.
Paragon machte den Mund weit auf. Das Geräusch, das er ausstieß, ließ die Planken unter Brashens Füßen vibrieren.
Dann stieg es allmählich zu einem hohen Kreischen an. Wieder holte er tief Luft, und wieder schrie er. Seine Stimme glich eher einer Bootsmannspfeife als einem Menschen.
In dem folgenden Schweigen hörte Brashen Ambers atemloses Flüstern. »Sie hören dich. Sie werden langsamer und sehen sich gegenseitig an. Jetzt kommen sie näher, aber langsamer als zuvor. Alle blicken dich an. Sie warten und umkreisen dich. Jetzt kommt einer vor. Er ist grün, aber seine Schuppen glitzern golden, wenn er sich in der Sonne dreht und bewegt…«
»Sie«, verbesserte Paragon Amber ruhig. »Die, die sich erinnert. Ich schmecke sie im Wind, und meine Planken
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