Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
Dann stellte er die Frage, die zu stellen er zuvor niemals gewagt hatte. »Können Seeschlangen ein Schiff eigentlich auch versenken? Ich meine nicht, es einfach so lange bearbeiten, bis es nicht mehr segeln kann. Ich meine, es auf den Meeresboden versenken.« Er holte tief Luft. »Und zwar am besten in Einzelteilen.«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte sie gedehnt, drehte den Kopf und wandte ihm ihr Profil zu. Aus den Augenwinkeln sah sie ihn an. »Möchtest du, dass wir es versuchen?«
Einen Augenblick schienen seine Lippen das kleine Wörtchen nicht formen zu können. »Ja«, gab er dann zu. »Falls es nötig wird.«
Ihre Stimme wurde kehlig. »Überlege gut, was du da verlangst. Paragon ist ein Lebensschiff wie ich selbst.« Sie blickte über das Wasser auf das herannahende Schiff. »Ein Drache, ein Artverwandter von mir, schlummert in diesem hölzernen Gerippe. Und du erwartest von mir, dass ich mich gegen meine eigene Art wende, um deinetwillen. Glaubst du wirklich, dass ich das tun könnte?«
Der Paragon schwenkte seitwärts und setzte den Anker, gerade außerhalb der Reichweite der Bogenschützen. Sie waren also keine vollkommenen Narren! Er musste Blitz für sich gewinnen, und zwar schnell.
»Für mich kommst du vor allen anderen. Solltest du ein ähnliches Opfer von mir verlangen, würde ich nicht zögern«, versprach er ihr.
»Tatsächlich?«, erkundigte sie sich beiläufig. »Selbst wenn es sich um Etta handelte?«
»Ohne das geringste Zögern«, versprach er und weigerte sich nachzudenken.
»Oder um Wintrow?« Ihre Stimme war leise und wissend.
Ein Messer schien sich in seinen Eingeweiden auszutoben.
Wie genau kannte sie ihn wirklich? Er holte tief Luft. »Falls du es verlangst.« Würde sie es tun? Konnte sie darauf bestehen, dass er Wintrow aufgab? Er schob den Gedanken beiseite. Er würde es ihr ausreden. »Ich hoffe, dass ich dir genauso wichtig und teuer bin.« Er versuchte, sich noch andere feine Worte für sie auszudenken, aber es wollten ihm keine einfallen.
Stattdessen fragte er: »Wirst du es tun?«
»Ich denke, dass es Zeit wird, dir meinen Preis bekannt zu geben«, konterte sie.
Die Marietta hatte Wintrows kleine Gig hochgehievt. Sorcors Schiff wendete. Sie würden schon bald Anker werfen und in sicherer Entfernung warten.
»Wenn wir hier fertig sind, wirst du alle deine Schiffe um dich versammeln, alle, die unter der Rabenflagge segeln. Ihr werdet uns als Eskorte dienen. Die Schlangen müssen nach Norden ziehen, weit nach Norden, um eine bestimmte Flussmündung zu erreichen, an die sie sich kaum noch erinnern, die ich jedoch in meiner Zeit als Viviace häufig genug befahren habe. Und während wir nach Norden ziehen, werden wir versuchen, noch andere Seeschlangen um uns zu scharen. Du wirst sie vor Angriffen der Menschen schützen. Wenn wir den Fluss erreicht haben, werde ich dich hinaufführen, während deine anderen Schiffe die Mündung bewachen. Ich weiß sehr genau, dass kein anderes Schiff uns auf dieser Reise begleiten kann. Du wirst mir deine Zeit gewähren, Kennit Ludluck, und zwar den ganzen restlichen Winter, den ganzen Frühling und deine ganze Zeit bis zum Hochsommer, wenn die Sonne in ihrem Zenit steht. Wir werden den Schlangen bei dem helfen, was sie tun müssen, und sie durch ihre hilflose Zeit führen. Das ist der Preis. Bist du bereit, ihn zu zahlen?«
Sie band ihn durch die Nennung seines Namens. Woher kannte sie ihn? Hatte sie es erraten? Dann blickte er hinunter auf das kleine, grinsende Amulett an seinem Handgelenk. Als er in die Gesichtszüge seines winzigen Zwillings sah, erkannte er den Verräter. Das Amulett zwinkerte ihm zu.
»Ich war auch einmal ein Drache«, sagte es ruhig.
Er hatte nur wenig Zeit zum Nachdenken. Wenn er so lange mit den Seeschlangen verschwand, bedeutete das, dass alles, was er aufgebaut hatte, wieder zerfallen würde. Dennoch wagte er es nicht, ihren Wunsch abzulehnen. Vielleicht, dachte er grimmig, untermauert das nur meine Legende. Der Paragon ließ ein kleines Beiboot zu Wasser. Althea Vestrit würde darin sitzen. Das durfte nicht geschehen. Er wagte es nicht, Althea an Bord der Viviace zu lassen. Blitz leugnete zwar jede Verbindung, aber Kennit wollte kein Risiko eingehen. Sie musste sofort aufgehalten werden. Er hatte die Viviace von Wintrow errungen. Er würde sie jetzt nicht an jemand anderen verlieren.
»Wenn ich das tue, versenkst du dann den Paragon ?« Es fiel ihm jetzt noch schwerer, darum zu bitten, jetzt, da sie
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