Zaubersommer in Friday Harbor
Hochzeitsvorbereitungen
bestimmt auch ausgelastet.”
„Na ja,
genau genommen bleibt für den Bräutigam nicht viel zu tun. Ich bin einfach da,
wann und wo man mich braucht.” Kevin sah so gut aus wie eh und je, aber er
machte einen seltsamen Eindruck auf sie. Sein Gesichtsausdruck war leer und
verwirrt, wie bei einem Mann, der auf dem Bürgersteig über seine eigenen Füße
stolpert und sich nach dem unsichtbaren Hindernis umdreht, das sich ihm in den
Weg gestellt hat.
Als er
näher kam, zog Lucy unwillkürlich Papierbögen über ihr Buntglasfenster, weil
sie das Gefühl hatte, das Bild vor seinem Blick schützen zu müssen. Sie trat
neben den Arbeitstisch und lehnte sich dagegen.
„Du trägst
keine Orthese mehr”, bemerkte Kevin. „Wie geht's deinem Bein?”
„Bestens”,
gab sie leichthin zurück. „Ich muss nur ein bisschen vorsichtig damit sein.
Noch eine Weile größere Belastungen meiden.”
Er kam ihr
näher, als ihr recht war, aber sie wollte nicht vor ihm zurückweichen.
Während sie
ihn betrachtete, fragte sich Lucy, wie es möglich war, dass ein Mann, der ihr
einmal so nahegestanden hatte, plötzlich wie ein Fremder wirkte. Sie war sich
so sicher gewesen, ihn zu lieben ... und es war eine täuschend echte Illusion
gewesen. So wie Seidenblumen sehr lebendig aussehen konnten. Oder ein
Zirkonia, der funkelte wie ein Diamant. Aber ihre Version der Liebe war nur
Schein gewesen. All ihre Liebesbeteuerungen und kuschligen Rituale hatten nur
dazu gedient, die Leere darunter zu verstecken. Sie hoffte, dass er mit Alice
eine tiefere echtere Beziehung gefunden hatte. Aber sie bezweifelte das. Und
deshalb tat er ihr tatsächlich leid.
„Wie geht
es dir?”, fragte sie.
Irgendetwas
in ihrem Ton brachte ihn dazu, die Schultern hängen zu lassen. Er seufzte tief.
„Es ist, als sei man in einen Tornado geraten. Die Farben der Blumen, die
kleinen Gaben mit Namensbändchen für die Gäste, der Fotograf, der Videograf
und all der übrige Kram ... Diese Sache ist viel komplizierter und verrückter,
als sie sein sollte. Himmel noch mal, es ist einfach nur eine Hochzeit.”
Lucy zwang
sich zu einem Lächeln. „Bald ist es überstanden. Dann kannst du dich
entspannen.”
Kevin
begann, im Atelier umherzugehen. Unzählige Male war er hier gewesen, als sie
noch zusammenlebten, und kannte sich gut aus. Er hatte ihr sogar geholfen, die
Regale für das Glas einzubauen. Aber Lucy fühlte sich nicht wohl dabei, als er
immer tiefer in ihr Atelier eindrang. Kevin gehörte nicht mehr hierher. Er
hatte nicht länger das Recht, so ungeniert durch ihre Werkstatt zu schlendern.
„Das
Verrückteste an der ganzen Sache ist”, sagte er und nahm dabei ein Regal
mit fertigen Lampenschirmen unter die Lupe, „je näher die Hochzeit rückt, desto
mehr versuche ich, mir darüber klar zu werden, was eigentlich mit uns geschehen
ist.”
Lucy
blinzelte überrascht, „Du meinst ... mit dir und mir?”
„Ja.”
„Ganz
einfach: Du hast mich betrogen.”
„Ich weiß.
Aber ich versuche, mir darüber klar zu werden, warum.”
„Es spielt
keine Rolle. Es ist vorbei. Du heiratest übermorgen.”
„Ich
glaube, wenn du mir einfach ein bisschen mehr Freiraum gegeben hättest”,
fuhr Kevin fort, „dann wäre ich nie zu Alice gegangen. Vermutlich war die
Beziehung zu ihr meine Art, dir zu zeigen, dass ich mehr Freiraum
brauche.”
Ihre Augen
weiteten sich. „Kevin, ich lege wirklich keinen Wert auf diese
Diskussion.”
Er kam zu
ihr zurück und trat noch näher an sie heran als zuvor. „Ich hatte das Gefühl,
zwischen uns beiden fehle etwas”, erklärte er. „Und ich dachte, das könnte
ich bei Alice finden. Aber vor Kurzem ist mir klar geworden ... ich hatte es
schon die ganze Zeit bei dir. Ich habe es nur nicht gesehen.”
„Hör
auf”, warnte Lucy. „Ich meine das ernst, Kevin. Das hat keinen Sinn.”
„Ich
dachte, du und ich, wir seien schon zu eingespielt, und das Leben würde
langweilig. Ich glaubte, Aufregung zu brauchen, Abwechslung. Dabei war ich so
ein Idiot, Lucy. Ich war glücklich mit dir und habe das einfach weggeworfen.
Mir fehlt, was wir hatten. Ich ...”
„Bist du
jetzt vollkommen übergeschnappt?”, fragte sie. „Du hast es dir anders
überlegt mit der Hochzeit? Jetzt? Wo alle Pläne gemacht sind und die Gäste aus
dem ganzen Land bereits anreisen?”
„Ich liebe
Alice nicht genug, um sie zu heiraten. Es ist ein Fehler.”
„Du hast
ihr ein Versprechen gegeben. Jetzt kannst du keinen
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