Zaubersommer in Friday Harbor
Besucher
einzulassen.
Draußen
stand Sam, einen Strauß bunter Blumen in der Hand, darunter orange Rosen, gelbe
Lilien, rosa Astern und Gerbera.
Lucy ließ
ihren Blick von seinem ausdruckslosen Gesicht zu dem leuchtenden Strauß
wandern. „Entschuldigungs-Blumen?”, fragte sie und verkniff sich mühsam
ein Lächeln.
„Und
Entschuldigungs-Pralinen.” Sam überreichte ihr eine rechteckige
Hochglanzschachtel, die mindestens zwei Pfund hochwertigste
Schokolade enthielt. „Sowie eine aufrichtige Bitte um
Verzeihung.” Von ihrem Gesichtsausdruck ermuntert, fuhr er fort: „Es ist
nicht deine Schuld, dass ich bei dir geschlafen
habe. Und nachdem ich darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, dass die
Erfahrung mir nicht ernstlich geschadet hat. Ich bin sogar froh, dass das
passiert ist, denn nur so konnte ich herausfinden, wie schön du am Morgen
aussiehst.”
Lucy lachte
und lief rot an. „Deine Bitten um Verzeihung sind fantastisch, Sam.”
„Darf ich
dich zum Essen einladen?”
„Ich würde
schon gern, aber ...”
„Aber
was?”
„Ich habe
nachgedacht. Und ich frage mich, ob wir es nicht eine Weile bei Freundschaft
ohne Sex belassen könnten. Wenigstens ein paar Tage.”
„Natürlich”,
sagte Sam und schaute sie forschend an. „Darf ich fragen, warum?”, fügte
er dann leise hinzu.
Lucy
stellte die Blumen und die Pralinen auf einem Tisch ab. „Es gibt da ein paar
Dinge, für die ich eine Lösung finden muss.
Dafür
brauche ich ein bisschen Raum für mich. Wenn du deshalb deine Meinung
bezüglich der Einladung zum Essen änderst, verstehe ich das.”
Aus
irgendeinem Grund schien ihn das zu ärgern. „Nein, deshalb ziehe ich meine
Einladung nicht zurück. Ich ...”, er zögerte, suchte nach den richtigen
Worten, „brauche dich für mehr als nur Sex.”
Lächelnd
wandte Lucy sich zu ihm um. Dieses warme und unverkrampfte Lächeln schien ihn
zu irritieren. „Danke.”
Sie standen
einander gegenüber, sahen sich an, ohne sich zu berühren. Lucy vermutete, sie
hatten beide mit dem verwirrenden
Widerspruch zu kämpfen, dass irgendetwas zwischen ihnen nicht stimmte und
irgendetwas anderes dafür umso mehr stimmte.
Gedankenverloren
sah Sam sie an. Sein Blick war so intensiv, dass sich ihre Nackenhärchen
aufstellten. Er wirkte sehr ernst und still, nur in seiner Wange zuckte ein
Muskel. Das Schweigen wurde immer gewichtiger, und Lucy suchte nervös nach einer
Möglichkeit, es zu beenden.
„Ich möchte
dich in den Arm nehmen”, sagte Sam leise.
Verlegen,
sich der Tatsache bewusst, dass die leichte Röte auf ihren Wangen blutrot
wurde, lachte Lucy nervös auf. Aber Sam lächelte nicht.
Sie hatten
intimste Liebesspiele miteinander geteilt, hatten einander in jeder möglichen
Phase des An- und Auskleidens gesehen ... aber in diesem Augenblick machte eine
so simple Sache wie eine beiläufige Umarmung sie nervös. Lucy trat einen
Schritt vor. Langsam schlang er seine Arme um sie, als habe er Angst, eine
schnelle Bewegung könne sie erschrecken. Vorsichtig, Zentimeter um Zentimeter,
schlossen sie einander in die Arme. Ihre Kurven schmiegten sich an seinen
harten Körper, ihre Glieder ebenso, ihr Kopf fand seinen natürlichen Ruheplatz
an seiner Schulter.
Lucy entspannte
sich total, fühlte, wie jeder Atemzug, jeder Gedanke, jeder Herzschlag sich an
ihn anpasste und zwischen ihnen ein Strom zu fließen begann. Wenn Liebe ihren
Ausdruck allein zwischen Körpern finden konnte, nicht in der sexuellen
Vereinigung, sondern in etwas, das genauso echt und vollständig war, dann
geschah das jetzt. Hier. In diesem Augenblick.
Sie verlor
jegliches Zeitgefühl, als sie so mit ihm dastand. Tatsächlich schien es ihr,
als seien sie beide aus der Zeit herausgetreten, hätten sich ineinander
verloren, in diesem rätselhaften Kern, zu dem sie gemeinsam geworden waren.
Aber schließlich löste Sam sich von ihr und sagte etwas von Abholen zum
Abendessen. Lucy nickte blind und klammerte sich an den Türrahmen, um nicht
umzukippen. Sam ging, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Er bewegte sich mit der
leicht übertriebenen Vorsicht, die jemand an den Tag legte, der nicht ganz
sicher auf den Beinen war.
Als Lucy
ihren ehemaligen Professor Alan Spellman anrief und ihm sagte, sie nehme das
Stipendium an, bat sie ihn, die öffentliche Verkündigung bis Ende August zu
verschieben. Bis dahin wären Alice und Kevin verheiratet, und Lucy hätte alle
ihre laufenden Projekte abgeschlossen.
Jeden Tag
widmete sie eine
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