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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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auf.”
    „Feuchtigkeit.
Der Holzrahmen verzieht sich.” Sam schob das Fenster schwungvoll auf,
sodass eine Öffnung entstand, durch die der Kolibri nach draußen konnte.
    Aber der
winzige Vogel schwebte in der Luft, schoss vorwärts und prallte gegen die
Wand. Sam fragte sich, wie sie ihn zum Fenster
leiten sollten, ohne ihm einen Flügel zu verletzen. Wenn das Tier so
weitermachte, würde es an Stress oder Erschöpfung sterben.
    „Gib mir
deine Kappe, Holly”, sagte er und nahm dem Mädchen die Baseballkappe ab.
In einer Zimmerecke gelang es ihm, den Vogel sanft in die Enge zu treiben, bis
er im Baumwollstoff der Kappe landete.
    Holly gab
einen tiefen Seufzer der Erleichterung von sich. Vorsichtig nahm Sam den Vogel
in die Hand und ging damit zum offenen Fenster.
    „Ist er
tot?”, fragte Holly ängstlich und kletterte neben Lucy aufs Sofa.
    Sam
schüttelte den Kopf. „Er ruht sich nur aus”, flüsterte er. Gespannt
warteten sie, während Sam seine geschlossenen Hände über das Fensterbrett nach
draußen streckte und öffnete.
Langsam erholte sich der Vogel. Sam spürte das kleine Herz viel zu schnell
schlagen. Dann erhob sich der Vogel aus Sams Händen
und schwirrte davon, verschwand im Weinberg.
    „Wie ist er
ins Haus gekommen?” Fragend schaute Sam von einem zum anderen. „Hat jemand
die Tür offen gelassen?” Mit Interesse registrierte er, dass Lucy eine
völlig ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte.
    „Nein”,
erklärte Holly aufgeregt. „Lucy hat das gemacht!”
    „Lucy hat was gemacht?”,
fragte Sam. Ihm entging nicht, wie blass Lucy plötzlich wurde.
    „Sie hat
den Vogel gemacht. Aus einem Saftglas”, rief Holly. „Sie hatte es in der
Hand, und es hat sich in einen Vogel verwandelt. Stimmt doch, Lucy?”
    „Ich
...” Erkennbar aufgewühlt suchte Lucy nach Worten, ihr Mund öffnete sich
und schloss sich wieder. „Ich bin mir nicht ganz sicher, was passiert
ist”, brachte sie schließlich hervor.
    „Ein Vogel
ist aus deiner Hand geflogen”, kam Holly ihr zu Hilfe. „Und jetzt ist dein
Saftglas weg.” Sie nahm ihr eigenes Glas und hielt es Lucy hin.
„Vielleicht kannst du das noch mal machen?”
    Lucy zuckte
zurück. „Danke, nein, ich ... du solltest das behalten, Holly.”
    Sie sah so
durch und durch schuldbewusst aus, schamrot und voller Sorge, dass Sam der
verrückte Gedanke, der ihm gekommen war, plötzlich gar nicht mehr abwegig
schien.
    „Ich
glaube an Magie”, hatte
sie ihm gesagt.
    Und jetzt
wusste er auch, warum.
    Es spielte
keine Rolle, dass es aller Logik widersprach. Sams eigene Erfahrungen hatten
ihn gelehrt, dass die Wahrheit nicht immer logisch schien.
    Während er
sie noch anstarrte, stellte er fest, dass er versuchte, das Tohuwabohu seiner
Gedanken und Gefühle zu entwirren. Sein ganzes erwachsenes Leben hatte er
seine Gefühle immer so organisiert, wie andere Leute ihre Messer in einem
Messerblock aufbewahrten: die scharfen Schneiden gut versteckt. Aber Lucy
machte ihm das unmöglich.
    Noch nie
hatte er jemandem von seinen eigenen Fähigkeiten erzählt. Es hatte keinen
Anlass dafür gegeben. Aber plötzlich waren sie zu einer möglichen Grundlage für
eine Verbindung mit einem anderen Menschen geworden. Mit Lucy.
    „Schöner
Zaubertrick”, sagte er leise. Lucy erbleichte und wandte den Blick ab.
    „Aber das
war kein Zaubertrick”, protestierte Holly. „Das war echt.”
    „Manchmal”, wandte Sam sich an
seine Nichte, „sieht etwas Echtes aus wie Magie und Magie wie etwas
Echtes.”
    „Ja, aber
...”
    „Tust du
mir einen Gefallen, Holly? Hol bitte Lucys Tabletten vom Küchentisch. Und ein
Glas Wasser.”
    „In
Ordnung.” Holly hüpfte vom Sofa, und Lucy zuckte zusammen.
    Tiefe
Linien, die von Schmerz und Seelenqual zeugten, hatten sich in ihr Gesicht
gegraben. Die Strapazen der letzten Minuten waren zu viel für sie gewesen.
    „Ich
tausche in ein paar Minuten die kalten Kompressen aus”, sagte Sam.
    Lucy
nickte. Ihr war anzusehen, wie elend sie sich fühlte und welche Sorgen sie sich
machte. „Danke.”
    Sam kauerte
sich neben das Sofa. Er bat sie nicht um Erklärungen, sondern wartete einfach
still ab. Eine Minute dehnte sich zur Ewigkeit. Dann nahm er schweigend Lucys
Hand, drehte die Handfläche nach oben und streichelte die bleichen Finger, bis
sie sich wie Blütenblätter halb aufrollten.
    Alle Farbe
war aus Lucys Gesicht gewichen, bis auf ein leuchtend rotes Band über ihren
Wangen und ihrem Nasensattel. „Was Holly gesagt hat”, stieß

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