Zaubersommer in Friday Harbor
Wimpern an
seiner Wange flattern. Dann rieben sie ihre Nasen aneinander.
Als Mark
mit Holly nach oben ging, sortierten Lucy und Sam die Spielfiguren, die Häuser
und Hotels sowie das Spielgeld und räumten es in den Karton.
„Sie ist
ein Schatz”, sagte Lucy.
„Wir haben
großes Glück gehabt”, meinte Sam. „Vicky hat sie gut erzogen.”
„Du und
Mark aber auch. Holly ist ganz offensichtlich glücklich und gut umsorgt.”
Lucy wickelte ein Gummiband um die Spielgeldscheine und reichte ihm das
Päckchen.
Sam schloss
den Spielekarton und schenkte Lucy ein freundliches und gut überlegtes
Lächeln. „Wie wäre es mit einem Glas Wein?”
„Klingt
gut.”
„Ich
schlage vor, wir trinken ihn draußen. Am Himmel hängt ein Erdbeermond.”
„Ein
Erdbeermond? Warum heißt das so?”
„Vollmond
im Juni. Erntezeit für Erdbeeren. Ich hätte angenommen, dass du den Begriff
von deinem Vater kennst.”
„Ich habe
in meiner Kindheit viele wissenschaftliche Fachbegriffe gehört, aber nicht die
eher lustig gemeinten Bezeichnungen.”
Lucy grinste, als sie hinzufügte: „Ich war so enttäuscht, als mein Vater mir
erklärte, Sternenstaub sei einfach nur kosmischer Dreck – ich dachte immer,
Sternenstaub müsse funkeln wie Feenstaub.”
Wenige
Minuten später hatte Sam sie auf die Vorderveranda getragen, in einen
Korblehnstuhl gesetzt und ihr Bein auf einem Hocker hochgelegt. Nachdem er ihr
ein Glas Wein gereicht hatte, das nach Beeren schmeckte und eine leichte
Rauchnote hatte, setzte er sich in einen Stuhl neben sie. Die Nacht war klar.
Man konnte in die unendliche Schwärze blicken und den leeren Raum zwischen den
Sternen sehen.
„Das
gefällt mir”, sagte Lucy. Sam hatte den Wein in altmodischen
Marmeladengläsern serviert. „Ich kann mich entsinnen, dass wir aus solchen
Gläsern getrunken haben, wenn wir bei meinen Großeltern zu Besuch waren.”
„Im
Hinblick auf kürzliche Ereignisse”, meinte Sam, „hielt ich es nicht für
angebracht, dir unsere Sonntagsgläser anzuvertrauen.” Er lächelte, als er
ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
Als Lucy
den Blick abwandte, sah sie, dass einer der Klettverschlüsse an ihrer Schiene
nicht ganz gerade geschlossen war. Unbeholfen griff sie danach, um ihn zu
richten.
Wortlos kam
Sam ihr zu Hilfe.
„Danke”,
sagte Lucy. „Manchmal bin ich ein bisschen pingelig. Ich mag es nicht, wenn
nicht alles in Reih und Glied ist.”
„Ich weiß.
Du achtest auch darauf, dass die Zehennaht deiner Socken gerade über deine
Zehen läuft. Und du magst es nicht, wenn verschiedene Lebensmittel auf deinem
Teller sich berühren.”
Lucy warf
ihm einen verlegenen Blick zu. „Ist es so offensichtlich, dass ich
Zwangsneurosen habe?”
„Nicht
wirklich.”
„Doch, das
ist es. Ich habe Kevin damit beinah wahnsinnig gemacht.”
„Mich stört
ritualisiertes Verhalten ganz und gar nicht”, erklärte Sam. „Meistens hat
es einen Sinn. Zum Beispiel die Angewohnheit von Hunden, sich auf ihren
Kissen im Kreis zu drehen, bevor sie sich hinlegen. Das ist darauf zurückzuführen,
dass ihre Vorfahren ihren Liegeplatz erst nach Schlangen und anderen
gefährlichen Tieren absuchen mussten.”
Lucy
lachte. „Mir fallen keine Vorteile meines ritualisierten Verhaltens ein. Es
dient nur dazu, andere Leute zu nerven.”
„Wenn es
dazu beigetragen hat, dass du Kevin losgeworden bist, dann ist das in meinen
Augen ein ganz klarer Vorteil.” Sam lehnte sich in seinem Stuhl zurück und
betrachtete sie. „Weiß er Bescheid?”, fragte er schließlich.
Lucy
verstand sofort, was er meinte. Sie schüttelte den Kopf. „Niemand weiß
davon.”
„Außer mir
und Holly.”
„Es war
nicht meine Absicht, dass so etwas vor ihren Augen geschieht”, sagte Lucy.
„Es tut mir leid.”
„Ist doch
alles in Ordnung.”
„Manchmal,
wenn ich sehr starke Empfindungen habe und Glas in der Nähe ist ...” Ihre
Stimme verklang, und sie zuckte unbeholfen die Achseln.
„Gefühle
lösen es aus.” Das war weniger eine Frage als eine Feststellung.
„Ja. Ich
habe Holly dabei zugesehen, wie sie ein Bild bunt angemalt hat, und ich habe
darüber nachgedacht, Kunstunterricht für Kinder anzubieten. Ihnen zu zeigen,
wie man etwas aus Glas herstellt. Und die Idee machte mich unglaublich ...
hoffnungsvoll. Glücklich.”
„Natürlich.
Wenn man eine Leidenschaft für etwas hegt, tut nichts so gut, wie sie anderen
zu vermitteln.”
Seit diesem
Nachmittag hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Es war ein
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