Zebulon
einem Goldgräber zusammen oder einem gepflegten Flachländer, und wenn das in die Binsen geht, geh ich eben auf den Strich. Auf Erfahrung kommt’s an, Mister Shook. Zwanzig Dollar pro Nummer, Sonderwünsche extra. Hangtown ist dafür genau richtig. Kein Mensch wird mich altes Mutterschwein unter all den kaputten Gestalten und abgebrannten Landstreichern erkennen. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht hab, mich mit dir zusammenzutun. Gerade jetzt, wo so ein hoher Preis auf deinen Kopf ausgesetzt ist.«
Ein letzter Ruf, ein Winken, und sie galoppierte davon.
Zebulon war erleichtert. Er blieb lieber allein. Ein Zustand, nach dem er sich seit der Zeit auf der
Rhinelander
sehnte: zu wissen, dass er wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stand, in sein eigenes Lagerfeuer zu schauen oder, wenn ihm danach war, zurück nach Colorado oder Mexiko oder in eine Gegend zu reiten, die auf keiner Landkarte zu finden war. Er hatte genug von anderen und ihren Wünschen, wer sagt was, wer will wohin und warum. Am Leben bleiben, das reichte ihm. Das ewige Suchen und Finden, das war für die anderen. Das Problem war nur … Aber der Gedanke ließ sich nicht fassen.
Er ritt an dem abgetrennten, auf einen Pfahl gesteckten Kopf eines Indianers vorbei. Darunter ein ausgebleichtes Schild:
SCHLECHTE HOMBRES UND TATEN
AB HIER VERBOTEN
Im schwindenden Licht bewegten sich Dutzende geisterhafter Gestalten schemenhaft um die Lagerfeuer vor dem Fort. »Wie Soldaten einer geschlagenen Armee«, hatte der Graf gesagt. Er erinnerte sich, wie Delilah ihn auf der Treppe des Hotels in Veracruz angesehen hatte, als wäre er ein Geist.
Rette mich
, hatten ihre Augen gefleht.
Und wenn dir dein Leben lieb ist, bleib weg
.
Anderthalb Kilometer von dem Fort entfernt schloss er sich einem Treck von Pennsylvania-Quäkern an – die Männer gingen zu Fuß neben ihren halbtoten Ochsen, die Frauen saßen auf ramponierten Conestoga-Wagen, die Köpfe unter den Hauben gesenkt, um die Schultern dicke Tücher. Sie waren zweihundert gewesen, als sie loszogen, und jetzt waren kaum noch fünfzig übrig – Indianerüberfälle, das Platte-Hochwasser, Cholera und Typhus hatten ihren Tribut gefordert.
Was von dem eisenbeschlagenen Tor des Forts übrig war, lag auf der Erde; das meiste davon war als Feuerholz verbrannt worden. Der Gestank nach Abwässern und verfaulten Nahrungsmitteln benahm einem den Atem. Vor ihnen breitete sich eine Ansammlung von Zelten und primitiven Hütten aus, für die alles hatte herhalten müssen, was gerade zur Hand war: alte Decken, Hosen und Hemden, Wagenrungen, kaputte Tische und Stühle und die üblichen Streifen zerrissener, schimmliger Leinwand. Die einen Meter dicken Lehmmauern des Forts waren mit Einschusslöchern gesprenkelt. Auf den zerbröckelnden Bastionen ragten die Rohre demontierter Kanonen gen Himmel. Alles andere war in Bewegung: fluchende Frauen, klappernde Kochtöpfe, heulende Hunde, Zelte, die auf- oder abgebaut, Wagen, die instandgesetzt wurden, wiehernde Maultiere und Pferde und Ochsen, die von ihrem Joch befreit und getränkt und gefüttert wurden.
Weiter drinnen auf dem Gelände knieten halbnackte Indianer, die einzigen, die von Sutters Landarbeitern übrig waren, an einem langen Holztrog und schaufelten sich mit den Händen Tierfutter und Maismehl in den Mund. Beiderseits von ihnen wälzten sich betrunkene Männer auf der Erde, rauften miteinander und stachen und hackten mit Bowiemessern und Tomahawks aufeinander ein. Ein Schuss fiel, gefolgt vom Schrei einer Frau und irrsinnigem Gelächter. Ein nackter Mann kam mit einer Bratpfanne wedelnd aus einer Scheune gerannt und wurde von einem peruanischen Goldsucher niedergestreckt. Ein Pferd machte Bocksprünge. Mormonen sangen Kirchenlieder und lobten lauthals den Herrn, ohne auf drei Goldsucher zu achten, die auf einem zusammengebrochenen Wagen tanzten und den vollen Mond anriefen.
Zebulon blieb am Rand einer Gruppe stehen, vor der ein Einarmiger mit einem englischen Zylinder eine blinkend neue Schaufel in die Höhe hielt. »Nur noch fünf dieser Prachtstücke übrig! Garantiert unbenutzt. Reines Metall aus der Schmiede des Vulcanus. Ohne Schaufel kein Gold, Gentlemen. Dreißig Dollar! Wer bietet mehr? Ein gutes Geschäft, Gentlemen. Vierzig der Herr, der unter dem Wagen sitzt! Wisst ihr, was es bedeutet, eine Kiste Schaufeln über Land oder auf dem Seeweg zu transportieren? Fünfzig! Wer bietet fünfzig? Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis hier wieder so
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