Zebulon
er eine Flasche Tequila aus seiner Satteltasche, trank einen großen Schluck und ging wieder hinein. Er reichte die Flasche Zebulon, der trank und sie an Lu weiterreichte, der dasselbe tat und sie Large Marge gab, die einen Schluck trank und einschlief. Der Chinese hatte sich an ihren Schenkel gekuschelt.
»Du hast nichts als Ärger gemacht seit dieser Cantina in Panchito«, sagte Hatchet Jack zu Zebulon. »Wenn ich du wäre, was ich Gott sei Dank nicht bin, würde ich meine Schnauze auf eine andere Spur richten. Diese Delilah ist von Dämonen besessen. Mein Wort drauf. Ich bin in letzter Zeit mal durch ihr Tal geritten, und nichts ist, wie es scheint. Sie ist flussaufwärts in Sutter’s Fort. Dort wo sie zum ersten Mal Gold gefunden haben. Jetzt ist alles den Bach runter, aber das ist mir schnurzegal.«
»Hat sie dich überredet, mich da rauszuholen?«, fragte Zebulon.
Hatchet Jack schüttelte den Kopf. »Wenn’s nach ihr ginge, wärst du immer noch im Kittchen. Dieser mexikanische Heiler, Plaxico, der hat mir gesagt, ich soll dich rausholen. Vielleicht erinnerst du dich. Du hast ihn in dem
pueblo
gesehen, in dem wir mit deiner Ma waren. Der, bei dem ich die spirituellen Sachen gelernt hab, in Mexiko. Er hat gesagt, ich bin für die Nachtschicht zuständig und muss die Toten retten, oder diejenigen, die nicht wissen, dass sie tot sind. Angefangen mit dir. Ein übler Job, wenn du mich fragst.«
»Interessiert mich aber nicht«, sagte Zebulon.
Hatchet Jack schluckte ein bisschen Tequila. »Kann ich dir nicht verdenken.«
Er warf Zebulon die Flasche zu. »Ich geh zu den Goldgräbern. Hab gehört, die sind auf eine Ader gestoßen, oben in Placerville. Und verschon mich mit deinem
ja, nein, je nachdem
. Jetzt, wo ich dich rausgeholt hab, sind wir endgültig quitt. Du kannst reiten, wohin du willst.«
An der Tür spuckte er aus. »Ich bin deinem Pa wieder begegnet. Immer noch dasselbe verrückte alte Huhn. In Virginia City hat ihn das Goldfieber schwer erwischt. Hat noch mal einen dicken Treffer gelandet und wieder alles an irgend so eine raffgierige Nutte verloren. Jetzt muss er Steine fressen. Stell dir vor: Ich hab ihm wieder ein Pferd angeboten, ein richtiges Prachtexemplar diesmal. Er hat’s wieder nicht genommen. Manches kriegt man eben nie hin. Ich hätte dich in dem stinkenden Arroyo liegen lassen sollen.«
»Hast du das nicht getan?«, sagte Zebulon.
Hatchet Jack lachte. »Keine Zeit, das zu klären. Aber nur zu, reit rauf nach Sutter’s Fort und fang dir die Hexe mit dem Lasso ein. Und dann alles Gute. Wenn wir Glück haben, sehen wir uns nie wieder.«
Als Zebulon am nächsten Morgen erwachte, war Hatchet Jack verschwunden, zusammen mit Lu.
Large Marge saß auf einem Baumstamm und rieb sich die von den Stricken stammenden Schwielen, die sich kreuz und quer über Schultern und Nacken zogen.
»Frag mich nicht«, warnte sie ihn. »Ich weiß nicht, wo sie hin sind, und es ist mir auch scheißegal.«
L ARGE M ARGE UND Z EBULON ritten gemächlich durch das Tal des Sacramento Richtung Sutter’s Fort. Die einzigen Zeichen von Leben waren ein Hirschrudel ab und an und ein erschrockener Bär in einem Beerengestrüpp. Ganze Farmen waren verlassen, Weinberge und Obstgärten verwildert, Zäune niedergerissen. Die einstmals goldenen Weizenfelder hatten verirrten Rindern und Schafen als Weiden gedient.
Als in der Ferne ein Trupp Reiter auftauchte, der sich abwechselnd durch Regengüsse und milchiges Licht bewegte, galoppierten sie in die entgegengesetzte Richtung und landeten in einem Farmhaus im Schutz einer traurigen Gruppe halb verdorrter Eichen. Sie führten ihre Pferde durch die Haustür und zwängten sich in einen engen, niedrigen Raum, in dem dick Staub und Stroh von dem eingebrochenen Dach lagen. Der Boden aus festgestampfter Erde war mit Mäuse- und Wieselkot übersät, die Schränke waren leer bis auf eine verschimmelte Scheibe Brot.
»Wir schlagen uns den Bauch voll, und dann ruhen wir uns aus«, sagte Large Marge und ging hinaus. Ein paar Minuten später kam sie mit einem geköpften Huhn wieder.
Da sie nicht durch einen rauchenden Kamin auf sich aufmerksam machen wollten, rupfte und briet sie das Huhn in einer tiefen Grube.
»Mit dem alten Sutter war ich auch lange zusammen«, sagte sie und biss in das halbgare Fleisch. »Hab ihm Essen gekocht, Kekse gebacken, Teig gerührt, Schnaps zu trinken gegeben – alles, was du dir denken kannst. Ich hab ihn einen Winter lang bekocht, wo es sonst
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