Zebulon
ausgesetzt, tot oder lebendig.«
Der Name wurde durch den Saloon und auf die Straße hinaus weitergesagt, und der Fotograf rannte hinaus, um seine Kamera zu holen.
Der Sheriff schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie meinen, das ist derselbe Gesetzlose, der aus dem Gefängnis in Sacramento ausgebrochen ist?«
Der Doc nickte. »Genau das meine ich.«
»Mir egal, wer der ist«, sagte einer am Tresen. »Der Mann ist ein gottverdammter Held.«
»Er hat uns gerettet und unsere Stadt«, riefen andere.
Der Doc drehte sich zum Sheriff um. »Wenn er durchkommt, was dann?«
»Sperr ich ihn ein. Was bleibt mir anderes übrig?«
»Dann werden Sie aus der Stadt gejagt«, sagte der Barkeeper. »Im besten Fall.«
»Also gut«, lenkte der Sheriff ein. »Wir kümmern uns um ihn, bis er so weit wiederhergestellt ist, dass er die Stadt verlassen kann. Er kriegt ein Zimmer im ersten Stock und drei Mahlzeiten pro Tag.«
Die Menge applaudierte.
Der Fotograf baute seine Kamera vor dem Billardtisch auf und stellte sie für eine Aufnahme von Zebulon ein, den man aufgesetzt hatte, die Arme um seinen toten Vater.
Das Blitzlicht bildete den Auftakt zu der größten Feier, die Greasy Springs jemals gesehen hatte.
Z EBULON WAR WACH , wenn er schlief, und schlief, wenn er wach war. Sein Geist löste sich in traumhafte Schatten und Heimsuchungen auf, über die er keine Kontrolle hatte. Rings um ihn hallten oder flüsterten Stimmen. Tagsüber umkreisten ihn Lichtstrahlen. Bei Nacht kauerten dunkle Gestalten am Fußende des Bettes. Da waren ein Bär, ein doppelköpfiger Adler und ein quakender Frosch, der unter einem einäugigen Ziegenbock saß. Verrückte aus den Bergen tauchten auf, setzten sich mit gekreuzten Beinen unter das Fenster und erzählten langatmige Geschichten von Unheil und Erlösung. Sioux, Comanche und Crow mit Kriegsbemalung zogen schemenhaft langsam mit erhobenen Lanzen und Tomahawks vorüber. Bohnenfresser, rote Nigger und Himmlische aus China erschienen. Und Delilah, die auf der Bettkante saß und ihm das Herz massierte. Schweine wühlten unter dem Bett nach Rüben, und Strandvögel mit gebogenen Schnäbeln flogen über das Fensterbrett. Und dort, direkt vor ihm, waren seine Ma und sein Pa und Hatchet Jack und stritten sich über Trennung und Verlust und darüber, wie man seinen Mann steht. Hinter ihnen zogen Spieler und Gesetzlose vorbei, die lange Staubmäntel und Tücher über den Gesichtern trugen. Wussten sie, dass auf seinen Kopf eine Belohnung ausgesetzt war? Tot oder lebendig.
Der Doc drückte einen Finger in Zebulons Brust. »Nach allem, was ich über Schusswunden gelernt habe, müssten Sie schon lange tot sein. Ihre Narbe ist alt. Wenn ich Sie aufmache, um die Kugel rauszupulen, schneide ich womöglich eine Arterie durch. Am besten machen Sie einfach so weiter. Es laufen massenweise Männer mit so viel Blei im Körper rum, dass man damit eine Satteltasche füllen könnte.«
Er drückte fester. »Tut das weh?«
»Nein.«
Der Doc nahm ein Skalpell und presste es in Zebulons Bein. »Spüren Sie das?«
»Nein.«
»Seltsam.« Er drückte noch fester. »Und jetzt?«
»Nichts.«
»Erinnern Sie sich, dass mal auf Sie geschossen wurde?«
»Ich erinnere mich an gestern, aber auch da nicht an alles.«
»Die einzige Behandlung besteht darin, nicht dran zu denken«, sagte der Doc und ging hinaus.
Tage später, oder vielleicht auch am selben Nachmittag, stand Zebulon vor dem Fotografen und seiner Kamera. Er trug ein sauberes Hemd, eine Hose und eine Lederweste, alles Spenden von wohlmeinenden Leuten aus der Stadt.
»Sie wissen sicher, wie berühmt Sie sind«, sagte der Fotograf. »Sie sind hier in aller Munde. Womöglich ernennen die Sie sogar zum Bürgermeister.«
Der Blitz blendete Zebulon für einen Augenblick.
Der Fotograf reichte Zebulon rasch einen Tomahawk. »Heben Sie ihn so, als wollten Sie jemanden skalpieren.«
Als das Blitzlicht aufflammte, warf Zebulon den Tomahawk in die Mauer und verfehlte den Kopf des Fotografen nur um ein paar Fingerbreit.
Der Fotograf gab ihm eine Mandan-Kriegskeule.
»Denken Sie daran, wie viele Menschen Sie umgebracht haben und wie viele wünschen, Sie wären tot.«
Zebulon drosch mit der Keule auf ein Kopfkissen ein, dass die Federn im Zimmer herumwirbelten.
Für seine letzte Aufnahme gab ihm der Fotograf Elijahs Gewehr.
»Zielen Sie auf die Kamera, so wie Ihr Vater es getan hat, als er durch die Saloontür kam.«
Abermals ein Blitzlicht.
Zebulon ließ sich auf
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