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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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das Bett sinken, schloss die Augen und stellte sich vor, er würde hoch über der Stadt schweben.
    »Sehr schön. Nicht bewegen.« Der Fotograf machte noch eine Aufnahme von dem schlafenden Zebulon. »Bleiben Sie still wie ein Berg. Wir werden nicht nur Geschichte schreiben, wir werden mehr Geld verdienen, als Sie sich vorstellen können. Mehr als bei jedem Goldfund! Ich verkaufe diese Bilder an Zeitungen, Buchverlage, Zeitschriften. Siebzig Prozent für mich. Dreißig für Sie.«
    Zebulon schüttelte den Kopf. »Damit will ich nichts zu tun haben. Ich will nur, dass ich davonreiten darf und dass man mich vergisst.«
    »Zu spät«, sagte der Fotograf. »Ihr Pferd steht nicht mehr im Stall. Auf Ihren Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt, und die Menschen singen Lieder über Sie von hier bis New York City. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir die Moneten nicht entgehen lassen.«
    »Halbehalbe.«
    »Sechzig-vierzig.«
    »Abgemacht.«
    Der Fotograf gab ihm die Hand und ging hinaus.
    Zebulon saß mit geschlossenen Augen am Fenster und stellte sich eine Holzbank vor, die sich durch eine leere Wüste erstreckte. Verlorene, ratlose Menschen saßen rechts und links von ihm, die nicht wussten, auf wen oder was sie warteten oder wovor sie davonliefen.
    Er sah nicht auf, als der Sheriff zur Tür hereinkam.
    »Was mach ich bloß mit Ihnen?«, fragte der Sheriff. »Sagen Sie’s mir. Manche meinen, Sie taugen nichts und ich soll Sie ausliefern. Andere sagen, ich soll Sie hierbehalten. Wenn Sie mich fragen: Einfacher wäre es, Sie zu erschießen.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an«, sagte Zebulon.
    »Von wegen«, sagte der Sheriff. »Die teeren und federn mich, wenn ich Sie umlege. Und zwar mit Recht. Sie haben die Stadt gerettet und uns auf die Landkarte gesetzt. Noch letzte Woche war Greasy Springs nur bekannt für seinen billigen Whiskey und sein noch schlechteres Essen. Jetzt kommen Leute bis von Hangtown und Mariposa, weil sie das Gemälde über der Bar sehen wollen. Jetzt haben wir hier Unterhaltung – Geiger, Mundharmonika- und Akkordeonspieler. Stricher und Flittchen. Gestern ist eine Frau bis aus New Orleans gekommen. Sie singt, als wär sie Mitglied im Engelschor. Wir kommen groß raus, Mister Shook.«
    Der Sheriff zündete sich eine Zigarre an und blies fette Rauchringe an die Decke. »Neulich ist einer aufgetaucht, der wollte das Gemälde kaufen. Hat gesagt, er will es nach San Francisco transportieren, mitsamt dem Tresen und allem, was drauf ist, und dann nach London verschiffen und es im größten Tanzpalast der westlichen Welt aufbauen. Ich hab mich natürlich nicht drauf eingelassen.«
    Er faltete eine Zeitung auseinander: »Ich lese Ihnen mal vor, was in der Hauptstadt über Sie geschrieben wird:
    ›Vor zwei Wochen schwappte eine Welle von Wut, Gewalt und Angst durch die Hauptstadt, als eine Bande zu allem bereiter Häftlinge aus einem Gefängnisschiff ausbrach, das auf dem Sacramento vor Anker lag. Angezettelt wurde der Ausbruch von Zebulon Shook, einem Gesetzlosen, dessen Taten inzwischen im ganzen Westen bekannt sind. Shook war wegen Totschlags zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Zum Zeitpunkt seiner Flucht waren noch mehrere Anklagen wegen Bankraubs, Pferdediebstahls und Mordes in Texas und Colorado gegen ihn anhängig.
    Augenzeugen zufolge war der Ausbruch das Ergebnis eines Grolls, den Shook gegen den Gefängnisdirektor, Major Ashton Bigelow, hegte. Direktor Bigelow, eine angesehene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, hatte kurz zuvor seine Absicht bekanntgegeben, sich um den Posten des Gouverneurs zu bewerben. Bigelow diente im jüngst beendeten Krieg gegen Mexiko in der Army unter Colonel John Prescott. Der gebürtige Bostoner hat in Harvard Theologie studiert.
    Während des Abendappells in dem Gefängnis zog Shook plötzlich einen Revolver und stürmte aufs Offiziersdeck, mit der Absicht, Direktor Bigelow zu töten. Da es ihm nicht gelang, Bigelow zu überwältigen, der sich in seiner Kajüte verbarrikadierte, sprang Shook in den Fluss und schwamm ans Ufer, wo mehrere Komplizen auf ihn warteten. In dem anschließenden Durcheinander überwältigten mehrere andere Häftlinge die übrig gebliebenen Wärter, wobei drei von ihnen ums Leben kamen und vier verwundet wurden. Wieder anderen Gefangenen gelang es, die Rettungsboote des Schiffs zu requirieren, mit denen sie flussabwärts fuhren; seither fehlt jede Spur von ihnen. Acht weitere Gefangene, die Hälfte davon Frauen, gelangten ans Ufer,

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