Zebulon
gefangen sei. Um den Bann zu brechen, sagte der alte Mann dem Mädchen, sie müsse sich jede Nacht ans Flussufer stellen und zu den Wassergeistern beten, sie ins Leben zurückzuführen. Mehrere Monate später, nachdem sie sich immer wieder die wilden, hysterischen Gesänge des Mädchens angehört hatten, willigten die Flussgeister schließlich ein, den Fluch von ihr zu nehmen, stellten dafür aber drei Bedingungen: Sie dürfe nie vergessen, dass sie ein normaler Mensch sei, der niemals die Mysterien der Natur begreifen könne, sie müsse das Dorf, den Fluss und ihre Familie verlassen und sich nie mehr länger als ein paar Tage an ein und demselben Ort aufhalten. Als das Mädchen über ihr furchtbares Schicksal jämmerlich zu weinen begann, hatten die Flussgeister Erbarmen und sagten ihr, dass sie eines Tages, nach vielen Abenteuern, in einem seltsamen, gewalttätigen Land einen Mann kennenlernen werde, der ebenfalls unter einem Fluch stehe. Wenn sie Mitleid miteinander hätten, bekämen sie die Chance, sich aus ihren Zwischenwelten zu befreien – allerdings um den Preis, dass womöglich einer von beiden sterben müsse, damit der andere leben könne, und dass sie ein Kind gebären werde.«
Gegen Mittag traten sie, durch Hufgetrappel und lautes Rufen geweckt, ans Fenster und sahen unten den Gefängnisdirektor, der vor dem Saloon auf seinem Pferd saß. Bei ihm waren Stebbins und eine zusammengewürfelte Schar von Kavalleriesoldaten und berittenen Gefängniswärtern.
Der Sheriff und der Doc kamen aus dem Saloon, zusammen mit dem Fotografen und ein paar Huren und Betrunkenen, die nicht aufhören konnten, die Gründung von Shookville zu feiern, wie die Stadt jetzt hieß.
»Wir wissen, dass Zebulon Shook verletzt wurde, als er in Sutter’s Fort geflüchtet ist«, hörten sie den Direktor sagen. »Und wir wissen, dass er hier aufgekreuzt ist und einen Riesenwirbel veranstaltet hat.«
Noch mehr Leute kamen aus dem Saloon und hörten zu.
»Shook war hier, das ist richtig«, sagte der Sheriff. »Er war hier, um seinen Vater zu beruhigen, nachdem der drei Männer getötet und den Saloon kurz und klein geballert hatte.«
Der Barkeeper mischte sich ein. »Wenn der nicht getan hätte, was er getan hat, wären eine ganze Menge von uns jetzt tot und der Saloon bis auf die Grundmauern niedergebrannt.«
Der Direktor schüttelte ungläubig den Kopf. »Wollen Sie damit sagen, dass Zebulon Shook seinen eigenen Vater getötet hat? Das kann ich nicht glauben.«
»Wenn er ihn nicht getötet hätte, stünde ich jetzt nicht hier und würde mit Ihnen reden«, sagte der Doc. »Und das gilt nicht nur für mich.«
»Das stimmt«, sagte jemand aus der Menge. »Er hat uns den Arsch gerettet.«
»Der Mann ist ein Heiliger«, sagte eine der Huren.
»Und wo ist er jetzt?«, wollte Stebbins wissen.
»Tot, aller Wahrscheinlichkeit nach«, sagte der Sheriff, »und wenn nicht, dann ist er in Colorado oder Mexiko.«
»Er hat einen Mann namens Plug erschossen«, sagte der Doc zu dem Direktor. »Ich glaube, der war einer Ihrer Häftlinge.«
»Ich hab eine Fotografie von Zebulon gemacht, wie er seinen sterbenden Vater in den Armen hält«, ergänzte der Fotograf. »Ich kann sie Ihnen zeigen, wenn Sie möchten.«
Der Direktor saß ab und stieg die Stufen zum Saloon hinauf, dann drehte er sich um und sprach zu der Menge. »Lassen Sie mich Ihnen das ganz deutlich sagen: Zebulon Shook ist ein Gesetzloser. Er hat im ganzen Staat Schaden angerichtet und Leid verursacht. Durch ihn mussten unschuldige Menschen sterben, unter ihnen auch meine Frau und mein Sohn. Diesem Mann sitzt der Teufel im Nacken. Jeder, der ihm Unterschlupf gewährt oder Nachrichten über ihn zurückhält, wird festgenommen.«
Als niemand etwas sagte, ging der Direktor raschen Schrittes in den Saloon.
Auf der Straße nahm Stebbins den Fotografen beiseite. »Meine Zeitung würde Sie für Ihre Fotografien großzügig bezahlen. Ich habe der Redaktion regelmäßig Reportagen über Zebulon Shook geschickt, seit er seine Laufbahn als Gesetzloser begonnen hat. Ich bin mit ihm nach Kalifornien gekommen und habe meinen ersten Bericht über ihn für den
New York Herald
und zwei Zeitungen in Philadelphia geschrieben. Ich weiß mehr über Zebulon Shook als irgendwer sonst.«
Der Fotograf zeigte sich interessiert. »Ich mache eine Porträtaufnahme von Ihnen am Ort der Schießerei. Sie können sich vor die Einschusslöcher und die zertrümmerten Tische stellen, die sind alle noch da. Sie
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