ZECKENALARM IM KARPFENLAND
mehr über ihn weiß?“
„Iech waß bloß su viel, dass vo uns kaaner mid dem Kondaggd had. Wie gsachd, der is viel zu eingebilded. Den mooch kaaner vo uns! Der is immer allaa. Bis vor umera drei Wochn. Dees woar dees aanziche Mal, dassin mid jemand redn hab gsehgn.“
„Können Sie mir das etwas genauer erklären“, hakte der Kommissar nach. „Wann und wo war denn das?“
„Der muss anscheinds doch was ausgfressn ham!“, stellte Rama-Schachtel-Jakob fest und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Dabei entblößte er seine gelben Zahnstümpfe und verströmte einen Hauch von abgestandenem, billigem Rotwein. „Also, iech woar dees ledzde Mal am ledzdn Middwoch im Juni bei der Erlanger Dafl.“
„Moment“, unterbrach ihn die Polizistin, „das war der siebenundzwanzigste Juni!“
„Sie wollns abber immer ganz genau wissn! Wenn Sies soogn, werds scho schdimma!“, bestätigte der Alte. „Jedenfalls habbi den, Seitz glaabi haßd der, bei der Erlanger Dafl gsehgn. Iech bin grood okumma, do is der scho widder raus. Wie iech dann a halba Schdund schbäder am Bohlnbladz vorbeikumma bin, do hoggd der auf aner Bänk und red mid an Moo, der ausgschaud had wie a Siemens-Mänädscher. Gschniegld und biegeld! ‚Was will denn der vo dem Sandler?’, habber mer nu dengd. ‚Was haddn der mid dem zu beredn?’ Weil, die hamm ieberhaubd ned zammbassd.“
„Wissen sie noch, wie der Fremde ausgesehen hat und was er anhatte? Wie alt war er ungefähr?“ wollte der Kommissar wissen.
„Edz herns abber auf!“, entrüstete sich Rama-Schachtel-Jakob, „dees is fasd drei Wochn her. Dees woar a junger Moo, nu ka dreißg Joahr. A Sunnabrilln hadder aufghabd.“
„Wie groß etwa?“, hakte die Polizistin nach.
„Wuher solln iech dees wissn? Der woar ghoggd!“
„Würden Sie den Mann wiedererkennen?“, wollte Gerald Fuchs wissen.
„Vielleichd, vielleichd aa ned!“
„Okay, lassen wir es dabei!“, meinte der Polizist. „Danke, Sie haben uns sehr geholfen. Wo können wir Sie wieder treffen, falls es nötig sein sollte?“
Der Obdachlose lachte herzhaft und zeigte wieder seine Zahnstummel. „Irgendwo in Erlang“, antwortete er. Dabei breitete er seine Arme in alle Richtungen aus, gerade so, als wollte er sagen „Da seht her, das alles ist meine Stadt“. „Fragens einfach nachn Rama-Schachdl-Jakob, irgend aaner werd scho wissen, wu iech grood bin.“
Am gleichen Tag im Haus des Mörders
Der Zeckenmörder, alias Till Stemmann, saß in seinem Wohnzimmer. Der Artikel „Mörderzecken in Mittelfranken?“ aus dem Nordbayerischen Tageblatt vom Wochenende lag ausgeschnitten auf dem Wohnzimmertisch.
Seine kleinen Lieblinge hatten hervorragende Arbeit geleistet. Nicht verwunderlich, sie waren auch sehr hungrig gewesen. Die Tatsache, dass dieser superaufmerksame Notarzt die Leiche von Kuno Seitz zur Obduktion anmeldete und der Pathologe somit auf das Krim-Kongo-Fieber stieß, ärgerte ihn maßlos. Das hatte er so nicht vorausgesehen. Das war so nicht eingeplant. Ärgerlich, aber nicht mehr änderbar! Das Gesundheitsamt hatte Alarm geschlagen. Jetzt suchten sie bestimmt ganz Mittelfranken nach Hyalomma-Zecken ab. Sollten sie. Der Mörder grinste und stellte sich die Hektik bei den Gesundheitsbehörden vor. Sie würden keine finden, und zum Kaffee würde er die Leute sicherlich nicht einladen, um ihnen seine kleinen, regen Lieblinge zu zeigen. Trotzdem ärgerlich, die ganze Sache. Die Suche nach dem Krankheitserreger hatte längst begonnen. Da war er sich sicher. Nun würden die sogenannten Experten auf ihrer Suche jeden Stein umdrehen. Jede Person, die mit dem Toten Kontakt hatte, ist für die ein potentiell Infizierter, der den Erreger weiter tragen könnte. Er war sehr vorsichtig gewesen. Das wusste er. Niemand würde die Verbindung zwischen dem verstorbenen Obdachlosen und ihm aufdecken. Dennoch, er würde etwas Zeit verstreichen lassen, bevor er den zweiten Mordanschlag ausführen würde. Nichts übers Knie brechen! In der Ruhe liegt die Kraft. Es war alles schon geplant. Vielleicht würde er an dem einen oder anderen Detail noch etwas feilen. Konnte jedenfalls nicht schaden. Hoffentlich waren seine kleinen Lieblinge beim zweiten Anschlag ebenso erfolgreich. Er griff nach Kugelschreiber und Papier und nach fünfundzwanzig Minuten hatte er die zweite Strophe seines Liedes niedergeschrieben:
à
Der Rotweinbruder ist gestorben,
Habt meinen Dank und Lob erworben.
Und nun ihr lieben Zecken,
Der Schmarotzer soll
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