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ZECKENALARM IM KARPFENLAND

ZECKENALARM IM KARPFENLAND

Titel: ZECKENALARM IM KARPFENLAND Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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der numol nach! Dees kann endlos wern! Geh doch amol mid meiner Mudder zur Kunni, die kennd si doch in solche Sachn aus.“
    „Vielleichd ned amol su schlechd“, überlegte seine Frau, als sie längere Zeit über diesen Vorschlag nachgedacht hatte. Die Kunni Holzmann wusste immer, was zu tun ist. Sie sah durch die mannshohen Wohnzimmerfenster hinaus in ihren Garten, auf den gemauerten Grillplatz, den Sitzplatz, mit dem robusten Holztisch und den beiden Bänken. Im neun Meter langen Gartenteich zogen die drei Kois und fünfzehn Goldfische knapp unter der Wasseroberfläche ihre Bahnen und suchten nach Fressbarem. Das Löwenmaul stand immer noch in voller Blüte, und gleich daneben streckten die halbhohen Herbstastern ihre dunkelblauen Blüten dem wolkenreichen Herbsthimmel entgegen. Gegenüber auf dem bisher freien Grundstück hatten Bauarbeiter damit begonnen, einen neuen Rohbau zu errichten. Der Kran drehte sich im permanenten Rhythmus, um aus einem gewaltigen Kübel flüssigen Beton auf die Fertigteile der Erdgeschossdecke zu entlassen. Zwei Arbeiter standen in Gummistiefeln in dem matschigen Beton und verteilten ihn mit ihren Rechen bis in die hintersten Ecken. Julia Fuchs holte den Erpresserbrief aus der Schublade und las ihn erneut. Bestimmt schon zum zwanzigsten Mal. Den Computerausdruck mit dem obszönen Foto hatte sie längst weggeschmissen. Sie griff zum schnurlosen Telefonhörer und rief ihre Schwiegermutter an.
    „Deresa Fuchs!?“
    „Deres, iech bins, die Julia. Hasd du heid Nachmiddooch wos vor, odder kennersd du zu an Kaffee bei uns vorbeikumma? Der Bruno und iech misserdn mid dir was beredn?“
    „Wos isn los, Julia? Du glingsd so komisch, am Delefon.“
    „Deres, es gibd Neiichkeiden. Es gehd um den Johannes. Nix Scheens. Mier bräucherdn deinen Rad. Däds dier um halba viera bassn?“
    „Solli an Kuugn midbringa?“
    „Na, braugsd ned, mier ham nu an eigfrorna Zwedschgnkuugn daham. Kannsd aa gleich zum Abndessen dobleibm. Also dann, bis heid Nachmiddooch.“
    •
    Während Julia Fuchs ihrer Schwiegermutter die Geschichte von dem Erpresserbrief erzählte, diese die Hände über dem Kopf zusammenschlug und Julias Mann Bruno mit seinen Händen voll beschäftigt war, seine Mutter wieder einigermaßen zu beruhigen, saßen Frau Riu-Krummbauer und ihre Freundin Yvonne Sievers nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt ebenfalls bei einer Tasse Kaffee zusammen. Herr Sievers war vor drei Tagen mal wieder nach China abgeflogen, um dem Kunden zu beichten, dass sich die Lieferungen der Elektromotoren um circa drei Monate verspäten würden. Dass es nicht drei Monate, sondern ein Jahr und drei Monate werden würden, getraute er sich (noch) nicht zu sagen, nachdem er das letzte Mal vom chinesischen Endkunden beinahe aus dem Büro geworfen worden war.
    „Hast du zwischenzeitlich die schreckliche Quarantäne gut überstanden“, wollte Beatrice Riu-Krummbauer von ihrer Freundin wissen, die noch Milch und Zucker aus der Küche ins Esszimmer trug.
    „Ach, es war schrecklich“, bestätigte diese erneut, ohne genau auf die Frage einzugehen. „Am schlimmsten waren diese furchtbaren Franken, die überall um mich herum waren. Ein seltsamer Volksstamm. Wenn ich nur etwas verstanden hätte! Ich glaube, ich war die einzige kultivierte Person im weiten Umkreis. Selbst der sonst so sympathische Bürgermeister ist plötzlich in diesen schrecklichen Dialekt verfallen, mit dem mich auch meine Schüler und Schülerinnen tagtäglich konfrontieren.“
    „Das muss für dich ja ein traumatisches Erlebnis gewesen sein?“, zeigte sich Beatrice Riu-Krummbauer noch beeindruckter als vorher und rückte ihr künstliches Haarteil zurecht.
    „Traumatisch?“, wiederholter Frau Sievers mit hoher Stimme, „Beatrice, du untertreibst. Ein Schockerlebnis, ein Schockerlebnis, sage ich dir, ein Kulturschock sondergleichen. Ich brauche nur daran zu denken, als mich dieser ordinäre Jupp Hochleitner anquatschte. ‚Wissn Sie, wus do zum Brunzn gehd?’ Zuerst habe ich gar nicht kapiert, was der überhaupt von mir wollte, bis er ständig ‚zum Biesln’, ‚zum Biesln’ wiederholte, seinen Hosenreißverschluss öffnete und dann Bschschschd-Laute von sich gab.“
    „Schrecklich!“, Beatrice Riu-Krummbauer hielt sich die Hände vors Gesicht. Ihre feuerroten Fingernägel leuchteten im gegenüber hängenden Wandspiegel wie glühende Kohlen. „Ich hatte letzthin auch so ein ähnliches Erlebnis“, berichtete sie. „Ich war mitten in der

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