ZECKENALARM IM KARPFENLAND
auch wichtiger. Die Öffentlichkeit macht Druck. Ich hoffe, du verstehst. An deiner Stelle würde ich als Erstes mit der leiblichen Mutter von Kuno Seitz sprechen. Vielleicht bringt das was. Aber das musst du selbst entscheiden, ist ja jetzt quasi dein Fall. Wenn du verstehst, was ich meine.“
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Julia Fuchs heulte Rotz und Wasser. Ihr Körper wurde von heftigsten Weinkrämpfen geschüttelt. Niemand am Tisch sprach ein Wort. Man hätte eine Nähnadel fallen hören. Kunigunde Holzmann, Margarethe Bauer, und die Schwiegermutter von Julia Fuchs, Theresa Fuchs, ließen die arme Frau im Moment in Ruhe und stellten keine weiteren Fragen. Das hatte Zeit. Retta Bauer legte ihren Arm um die Weinende und zog sie zum Trost an sich.
Kunni und Retta hatten beschlossen, nicht mehr länger zu warten. Es würde für Julia Fuchs schmerzlich sein, die alten Erinnerungen wieder in das Gedächtnis zurückzuholen. Das war den beiden klar. Aber die Sache musste endlich mal zur Sprache kommen, wollten sie in ihren Ermittlungen endlich einen Durchbruch erzielen.
Es dauerte zehn Minuten, bis sich Julia Fuchs einigermaßen beruhigt hatte. „Iech woar grad amol siebzehn Joahr ald, wie der Klaane geborn worn is. Iehr habd dees ja alles goar ned midgrichd, damals, neinzehnhunnerdvierasiebzich. Iech hab die ledzdn vier Monad vor der Geburd dees Haus ja gor nemmer verlassn, su habbi mi gschämd. Der Vadder, mei damalicher Freind, had miech in seim Rausch gegn mein Willn vergewaldichd. Als er midgrichd had, dass iech schwanger woar, isser nach Regnsburch zuugn, und iech woar a ganz alla doghoggd. Mei Mudder und mei Vadder ham bloß nu mid mier gschimbfd und mier jedn Dooch gsachd, was dees fier a Schand is. ‚Der Fradz muss weg’, hams immer widder gforderd, ‚den kemmer bei uns ned brauchn.’ Was soll iech eich soogn? Als der Klaane geborn woar, habbin nach an halbn Joahr zur Adobdzion frei gebn. Iech woar fix und ferdi und hab dees Gereed dahamm nemmer ausghaldn. ‚Bei andere Leid hadders beschdimmd besser’, habbi mier immer widder eigredd. Und dann habbin weggebn. Was maand iehr, wie iech dees schbäder bereid hab. Es is erschd besser worn, wie iech mein erschdn Mo, den John, kennaglernd hab und midna nach Ameriga ganga bin. Erschd als der Maigl geborn worn is, is mer widder richdich gud ganga. Was häddi denn mach solln, damals?“
„Julia, du mussd dier doch deswegn heid kaane Vorwürf mehr machen“, redete die Kunni beruhigend auf sie ein. „Dees woarn damals doch ganz andere Zeidn als heidzudooch. Abber edz deng amol ganz genau nach und sooch uns, wer dees alles gwussd had, dass du damals a Kind grichd und zur Adobdzion freigebn hasd.“
Julia Fuchs schniefte nochmals in ihr Taschentuch und konzentrierte sich. „Also dees woar nadürlich mei damalicher Freind, der wu nach Regensburch zoogn is. Der had hald gwissd, dass iech schwanger bin. Ob der midgrichd had, dass iech dees Kind zur Adobdzion freigebn hab, glaab iech eher ned. Außer meinen Eldern had dees damals aa mei Bruder, der Hanni, midgrichd, abber der is ja edz dod. Dem John, meim ameriganischn Mo, habbis aa erzähld ghabd, und der Bruno waß dees selbsdverschändlich aa. Dees sen alle.“
„Iech habs ja bis edz aa ned gwissd“, wandte Julias Schwiegermutter ein, „ned amol der Bruno, mei Bu, had mer wos derzähld.“
„Was is midn Maigl?“, wollte die Kunni wissen.
„Der waß dees aa ned, jedenfalls ned vom Bruno odder vo mier.“
„Kennerd der Johannes dem dees derzähld ham?“, ließ die Kunni nicht locker.
„Deoreedisch scho, glaab iech abber ned. Sunsd häddn dees andere Leid aa scho längsd erfoahrn“, überlegte die Julia laut.
„Hhm“, äußerte sich die Kunni, „dann mussi numal indensiev in aller Ruh nachdengn.“ Dann fiel ihr doch noch etwas ein. „Sooch amol Julia, wie haßdn der Schlawiener, der wu dier des Kind gmachd had?“
„Thomas Schwarte“, kam die prompte Antwort.
„Waßd du, ob der nu in Regnsburch wohnd, und wenn ja, wu?“
„Na Kunni, dees waß iech ned, iech hab bloß midgrichd, dasser damals zum Dombladz zoogn is.”
„Und wie ald is der heid?“
Julia Fuchs überlegte. „Der Thomas is a vierafufzger Joahrgang und is am erschdn Mai geborn.“
„Hasd du den seidem numal droffn?“
„Naa, dees ned, abber wie iech aus Ameriga zurüggkumma woar, hadder miech amol ogrufn. Iech waß ned, wu der mei Delefonnummer her ghabd had. Jedenfalls hadder mier a Gschbräch naufghängd. Wie leid es ihm heid nu dud,
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