Zehn Dinge, die wir lieber nicht getan haetten
sah ich rüber zu Hudson. Diese Wangenknochen! Himmel. War ja fast eine Schande, dass man sie an einen Kerl verschwendet hatte. Wäre Noah nicht gewesen, dann hätte ich mich vermutlich nicht mit Hudson unterhalten können, ohne dass ich mich total verkrampft hätte. »Danke, dass du mein edler Ritter bist«, sagte ich zu ihm.
Er lächelte. »Ist mir ein Vergnügen. Soll ich dir Starthilfe geben bei deinem Wagen? Ich hab Kabel dabei.«
»Oh. Danke. Aber ich will ja nicht, dass wir meinetwegen noch später kommen. Tut mir echt leid das alles. Mein Dad hat mich schon vorgewarnt, ich solle den Motor jeden Tag anlassen, aber irgendwas hat da in mir rebelliert.«
»Du rebellierst also gegen Eltern, mit denen du noch nicht mal zusammenwohnst. Das gefällt mir.« Er legte den Gang ein und fuhr die Straße runter.
»Das mit dem Rebellieren fällt leichter, wenn keiner dabei zusieht. In der Hinsicht bin ich echt ein Weichei.«
Er schüttelte den Kopf. »Du scheinst mir echt was draufzuhaben. Ich persönlich kenne nicht viele Mädchen, die mit sechzehn schon so mutig wären, allein zu wohnen.«
Ich zwinkerte. Was draufhaben? Ich? Mutig? Ich bin doch zu Vi gezogen, weil ich Angst davor hatte, meinem Leben hier den Rücken zu kehren. Ich war doch genau das Gegenteil von mutig. Doch statt das zuzugeben, setzte ich mich aufrechter hin. »Ich bin ja nicht ganz allein. Ich habe doch Vi.«
»Und Zelda«, flötete Vi dazwischen.
»Wer ist denn Zelda?«, erkundigte ich mich.
»Hab ich dir nicht von dem Gespenst erzählt, das bei uns im Ofen wohnt?«
Ich drehte mich um und sah ihr ins Gesicht. »Nein. Hast du nicht.«
»Ich persönlich glaube ja, dass das Knarzen daher kommt, dass der Herd von 1972 ist, aber meine Mutter ist überzeugt, dass da ein Geist dahintersteckt.«
»Ist denn in dem Haus jemand gestorben oder so?«
»Nein, meine Mutter spinnt nur total«, meinte sie. »Sie dachte ganz bestimmt, dass wir einen Geist haben. Und dass dieses Gespenst sich bei uns im Backrohr umgebracht hat, so wie Sylvia Plath. Was im Grunde überhaupt keinen Sinn ergibt, weil wir nämlich einen Elektroherd haben.«
Ich wusste zwar nicht, wieso man sich in einem Elektroherd nicht sollte umbringen können, aber ich beschloss, lieber nicht nachzufragen.
»Gut zu wissen«, sagte ich stattdessen. »Wenn du mal weg bist und ich Gesellschaft brauche, dann red ich eben mit Zelda.«
»Warum legst du dir nicht einfach einen Papagei zu?«, fragte Dean. »So ein gefiederter Kerl würde wenigstens auch was drauf sagen.«
Vi schlug ihm aufs Knie. »Warum glaubst du denn, dass der Papagei ein Männchen wäre?«
Er ließ den Kopf sinken. »Tut mir leid. Wenigstens würde sie auch was drauf sagen.«
Ich kniff die Augen zusammen und drohte übertrieben mit dem Finger. »Ja, klar, wenn ein Tier viel redet, muss es also gleich ein Weibchen sein.«
»Mutig und auch noch witzig«, meinte Hudson, woraufhin ich rot wurde. »Vi, wo hast du sie bloß die ganze Zeit versteckt?« Er sah rüber zu mir und lächelte.
»Im Ofen«, erwiderten Vi und ich gleichzeitig.
SPÄT DRAN
Als wir endlich ankamen, war es schon fünfzehn Minuten nach Unterrichtsbeginn.
Die Eingangstür war abgeschlossen, sodass wir klingeln mussten. Und wenn man erst mal klingeln musste, war man aufgeschmissen. Daher mussten wir den Marsch der Schande ins Sekretariat antreten.
»Ihr seid spät dran«, meinte die Schulsekretärin und verteilte an uns vier Verweise wegen Zuspätkommens.
»Doreen, wir bitten vielmals um Entschuldigung«, meinte Dean mit einer feierlichen Verbeugung.
»Es war meine Schuld«, erklärte ich. »Mein Auto ist abgestorben.«
»Die Beerdigung findet nach der Schule statt«, fügte Dean noch hinzu. »Es würde uns allen sehr viel bedeuten, wenn Sie kommen könnten.«
»Das nächste Mal rufen wir bei euren Eltern an«, meinte sie, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Ich versuchte, mein Image als mutiges Mädchen aufrechtzuerhalten, doch innerlich bekam ich die totale Krise, als ich den Verweis entgegennahm. »Es tut mir ja so, so, so leid«, sagte ich, während wir hinausgingen.
»Mach dir keine Gedanken deswegen«, meinte Hudson.
»Shit happens«, sagte Vi, während sie sich mit einem Winken verabschiedete und die Treppe in den ersten Stock hinaufeilte.
Dean legte den Arm um mich. »Ich hab es schon mal gesagt, und ich sag es gern noch einmal: mein Highlight des Tages. Von jetzt an kann es nur noch bergab gehen.«
Ich lachte. »Danke, dass ihr
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