Zehn (German Edition)
ein Törtchen und ein Totoromädchen waren es heute.
Die Männer verbeugten sich. Sie wirkten müde. Es war Donnerstag, sie hatten sicher einen Vierzehn-Stunden-Arbeitstag hinter sich.
Die Mädchen nahmen ihnen die Jacken ab, und Miyu führte die Gruppe an den reservierten Tisch. Im »Kitty Kat« gab es noch traditionelle Kotatsu, niedrige Tische mit einer kleinen Heizung darunter. Die Gäste zogen ihre Schuhe aus und saßen auf Tatamimatten. So fühlten sie sich fast wie zu Hause. Es gab sechs Tische, drei größere und drei kleinere. Die Wände waren pink und weiß gestrichen, und es gab fast lebensgroße Bilder von den Mädchen in ihren Kostümen. Die hatte Keikô, ein Freund von Miko, letzten Sommer gemalt. Keikô arbeitete als Cartoonist und hatte die Bilder der Mädchen eine Woche lang an die Wände gemalt. Miyu war im Prinzessinnenkostüm abgebildet.
Die Männer legten ihre Aktentaschen ab und fanden eine Sitzordnung. Es wurde Sake eingeschenkt, und Akako und Mariko servierten Häppchen.
Miyu war müde. Sie überprüfte im Umkleideraum ihr Make-up, zog den Eyeliner nach und sah auf die Uhr. Es war fast zehn. Bald würden sie schließen.
Das letzte Jahr hatte sie nur gearbeitet. Fünf Tage die Woche hier im »Kitty Kat Maid Café«, und an den Wochenenden arbeitete sie nachts, aber darüber sprach sie nicht. Nur ihre Schwester Haruka wusste Bescheid. Alle anderen beäugten sie misstrauisch und wunderten sich, woher Miyu das viele Geld hatte. Natürlich fragte niemand sie danach.
Sie hatte sich seit Anfang des Jahres sogar eine Zweizimmerwohnung im Zentrum geleistet, in Shinjuku. Es gab für solche Wohnungen eine Lotterie oder eine lange Warteliste, aber Miyu kannte den Immobilienmakler aus dem Stripclub und hatte die Wohnung sofort bekommen. Eigentlich verbrachte sie kaum Zeit dort.
Die Männer hatten den Sake ausgetrunken und lachten mit den Mädchen. Reiko, heute im Häschenkostüm, sang ein Kinderlied vor. Es wurde geklatscht.
Miyu musste lächeln. Das Kinderlied funktionierte immer. Da schmolzen die Männer dahin. Gleichzeitig war es ihr geheimes Zeichen, dass die gebuchte Zeit bald abgelaufen war.
Nun würden sie bald gehen.
Die Arbeit im »Kitty Kat« machte ihr Spaß. Fünf Tage die Woche verkleidete sie sich, unterhielt müde Männer, die aus dem Büro kamen, einsame Männer, die sich unterhalten wollten, spielte Brettspiele mit älteren Herren, deren Frauen gestorben waren, fütterte abenteuerlustige Junggesellen mit Sushi und war immer mit netten Mädchen zusammen. Die Leute, die hierherkamen, waren oft weniger konservativ als die meisten anderen Tokioter. Sie kamen, um Spaß zu haben, und waren oft ausgelassen.
Das letzte Jahr war schnell vergangen. Den Bürojob hatte sie nicht vermisst. Sie war voller Zuversicht gewesen. Sie verdiente viel Geld, und sie hatte viele neue Freundinnen gefunden. Keine engen Freundinnen. Aber Freundinnen auf der Arbeit. Miyu war ausgelassen mit ihnen. Fast alle waren allein wie sie. Fast alle wünschten sich, was sie sich wünschte.
Vieles war schnell Routine geworden. Miyu hätte nie gedacht, dass selbst Spaß und Ausgelassenheit Routine werden könnten. In dem Büro, in dem sie bis vor zwei Jahren gearbeitet hatte, war die Arbeit eintönig und die Kollegen still und ehrgeizig gewesen. Man war sich fremd.
Jetzt war ihr Leben abenteuerlicher, bunter. Freitag und Samstag arbeitete sie im »Blondy«, nachts. Tagsüber schlief sie.
Eine Freundin hatte sie zum Casting mitgenommen, und sie hatten Miyu sofort eingestellt. Mit ihrer hochgewachsenen Statur und den langen blonden Haaren fiel sie unter den anderen Japanerinnen auf. Lady Nippon, den Namen hatte ihr der Manager gegeben. Er versicherte, das fänden die Ausländer gut.
Das »Blondy« war immer voll. Viele Businessmen, im Anzug mit Krawatte, einige Europäer und ein paar aufgeregte Schulabgänger machten das Publikum aus. Die Flasche Champagner kostete fast 60 000 Yen, etwa 500 Euro. Das garantiere »gehobenes Publikum«, behauptete Yonchi, der Manager. Meistens arbeiteten sie zu fünft oder zu sechst. Die Mädchen, die gerade nicht tanzten, standen leicht bekleidet an der Bar oder unterhielten sich mit den Gästen. Sie musste vier- bis sechsmal tanzen und strippen. Danach war sie erschöpft. Sex gab es nicht. Wenn sie im Morgengrauen fertig war, ging sie durch die Hintertür. Der Club lag in Roppongi, da hatte sie es nicht weit zu ihrem Apartment in
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