Zehn (German Edition)
Zimmer auf die Heizdecke«, schlug die Schwiegermutter vor. »Keikô und sein Vater wollen hier gleich die Tafel aufbauen.«
Mariko verschwand mit einer kleinen Verbeugung hinter der Papiertrennwand.
Es war warm. Obwohl es bereits später Nachmittag war und das Licht immer schwächer wurde. Sie ignorierte die Heizdecke und legte sich einfach auf den Boden. Sie lag ganz ruhig. Spürte das Kind in sich. Dachte an all die Bücher, die es noch zu studieren gab. Fragte sich, wie das funktionieren sollte, dass das Kind im Bauch all das mitlernte. Ob es wirklich klüger würde. Die Familie glaubte es. Rei glaubte es. Dann entschied sie, dass Kenzaburô Ôe warten müsse. Sie nickte ein.
Sie erwachte von den Stimmen im Nebenzimmer. Ihr Rücken schmerzte. Verwirrt stand sie auf. Im Wohnzimmer stand eine Tafel. Eine weiße Plastiktafel auf einem Ständer. Keikos Vater schrieb mit einem grünen Filzstift Zahlen darauf. Mariko erkannte Listen: Keiki Preschool – 120 000 Yen plus 38 000 Yen Gebühr, Aoyama Gakuin – dieser Kindergarten war durchgestrichen, Youga Elementary School, Tokio Gakkan Urayasu Senior Highschool, Metropolitan Kokusai Highschool.
Keikos Mutter hatte sie noch nicht bemerkt. Sie sprach lauter als sonst: »Die Gakkan Urayasu Senior Highschool hat einen eigenen Raum für die Teezeremonie. Das ist wichtig. Es ist gut, dass dort auch Tradition gelehrt wird.«
Marikos Mutter nickte still. Keiko bemerkte Mariko jetzt. Er kam zu ihr, rieb lächelnd ihren Bauch: »Na, wie geht es euch? Wir sind gerade bei den Highschools und Colleges.« Er flüsterte. Warum flüsterte er?
Mariko zeigte auf die Tafel: »Warum ist Aoyama Gakuin durchgestrichen? Ich dachte, der Kindergarten sei der beste?«
Alle schwiegen betreten. Die Schwiegermutter goss allen Tee nach. Der Schwiegervater ging in den Nebenraum. Keikô flüsterte: »Er ist zu teuer.« Der Aoyama Gakuin war ein Elitekindergarten mit Anbindung an die Aoyama-Gakuin-Universität. Wenn ein Kind in den Kindergarten aufgenommen wurde, durfte man auf eine vielversprechende akademische Laufbahn hoffen.
Mariko schämte sich. Sie war wütend gewesen, weil Keikô geflüstert hatte. Nun hatte sie ihn bloßgestellt.
Da kam der Schwiegervater mit einem kleinen Geigenkasten zurück. »Sieh mal, eine Überraschung für den Enkel!« Alle lächelten jetzt. Eine Minigeige für das ungeborene Kind. Keikô bedankte sich bei seinem Vater, auch Mariko verbeugte sich. Ein ehemaliger Arbeitskollege habe ihm die Geige verkauft, erzählte der Schwiegervater. Sie brachte die Geige in die Abstellkammer. Dort lag bereits ein Fußball, es gab einen alten Weltatlas von ihrem Vater, ein kleines Fahrrad von den Nachbarn und eine kaum getragene Schuluniform für Jungen.
Ihre Mutter brachte Suppe und Oden. Während Keikôs Vater Listen an die Tafel schrieb, die Schwiegermutter Berechnungen von Schulgeldern anstellte, Keiko Männchen auf einen Notizblock malte und hin und wieder Fragen stellte und ihre Mutter schweigend zuhörte, nickte Mariko wieder ein. Sie träumte. Von Junko Tabei. Eine rotbackige, vitale Frau, winkend auf einem Gipfel. Mount Everest. Die Sonne scheint. Junko ruft ihren Namen: Maaariko-san! und lacht dazu.
Donnerstag. Der Tag begann mit Yoga für Schwangere. Mariko aß Suppe mit Udon. Ihre Mutter hatte sie gestern extra für sie vorbereitet. Dann lernten sie und das Baby eine Stunde Englisch. »How did you enjoy the trip? – I enjoyed the trip very much, thank you. I hope to return to Tokio soon.« Danach war Französisch an der Reihe. Mariko liebte den verspielten Klang der Sprache. Sie wollte unbedingt Paris besuchen. »Bienvenue à Paris! – Willkommen in Paris! Je cherche la Tour Eiffel. – Ich suche den Eiffelturm. Elle est là-bas, ma fille! – Er ist dort, mein Mädchen!« Fast sang sie die Worte. Keikô war auf der Arbeit, und da Rei am frühen Nachmittag zu Besuch kommen würde, ließen sich auch die Schwiegereltern nicht blicken. Sie liebte die Donnerstage.
Rei sah aus wie ein kleiner Kugelfisch. Sie war nicht besonders groß und trotz ihres riesigen Bauches sehr dünn geblieben. Sie hatte Schokolade mitgebracht.
Rei erzählte von ihrer neuen Vorliebe für Azukibohnenpüree. Sie habe Schwierigkeiten zu schlafen, sagte sie.
Sie gab Mariko Shakespeares Was ihr wollt zurück. »Ich verstehe das nicht«, gab sie zu. »Dann wird es mein Baby wohl auch nicht verstehen, oder?« Sie kicherte.
Während Mariko Tee
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