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Zehn (German Edition)

Zehn (German Edition)

Titel: Zehn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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aufsetzte, schaute Rei bewundernd die CD-Stapel an. »Hast du heute bereits Englisch gemacht? Sag, wisst ihr denn jetzt, ob es ein Junge wird? Wart ihr nicht beim Ultraschall?«  
    Mariko stellte das Tablett ab: »Nein. Wir gehen morgen wieder! Aber ich glaube, es wird ein Mädchen!« Rei blickte sie erschrocken an. »Was?…Und… was machst du jetzt?«  
    Mariko lächelte: »Ich freue mich darauf. Sie wird Junko heißen.« Mariko sprach leise. Rei sah besorgt aus.  
    Still aßen sie Schokolade. Dann nahmen sie ein Taxi in die Stadt. Es gab viele, zu viele verschiedene Kinderwagen, fand Mariko. Rei stöhnte über die Preise. Sie und ihr Mann hatten weniger Geld und Unterstützung als Mariko und Keikô. Heimlich merkte sich Mariko einen mit Blüten bedruckten Wagen mit pinkfarbenem Sonnenschutz. Für Junko.  
    Rei war müde. Also fuhren sie nach Hause. Zum Abschied drückte Rei ihre Hand: »Und, hast du es Keikô schon gesagt?«  
    Mariko schüttelte lächelnd den Kopf.  
    Freitag. Keikô wartete draußen. Die Gynäkologin gab ihr einige Papierhandtücher, um das Ultraschallgel vom Bauch zu wischen. Sie verbeugte sich zum Abschied: »Alles Gute! Wir sehen uns in zwei Wochen wieder!«  
    Keikô sprang auf, als sie den Gang herunterkam.  
    »Und?« Mariko zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Man konnte wieder nichts sehen. Die Nabelschnur …«  
    Keikô ließ die Schultern hängen.  
    Die Eltern und ihre Mutter warteten bereits gespannt vor dem Gebäude. Keikô seufzte. Als sein Vater erwartungsfroh auf sie zukam, schüttelte er nur den Kopf.  
    Niemand sagte etwas. Die beiden Großmütter gingen in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten, Keiko setzte sich zur abendlichen Recherche ans Internet, und sein Vater kniete sich vor den kleinen Schrein und betete für einen Jungen.  
    Mariko zog sich zurück. In ihrem Zimmer war es still. Letzte Sonnenstrahlen schienen durch die zarten Vorhänge. Jetzt bewegte sich das Baby in ihrem Bauch. Sie musste lächeln. Im Schrank fand sie ihren kostbarsten Kimono. Einen Hômongi aus Seide, verziert mit Stickereien. Ein Geschenk ihrer Mutter. Als Mariko geboren wurde, war der Hômongi ein Geschenk des Vaters an die Mutter gewesen. Er hatte sich damals sehr über die Tochter gefreut. Ihr Vater war mit fünf Brüdern aufgewachsen.  
    Es dauerte eine Weile, den Kimono anzulegen. Der Seidenstoff verrutschte, weil sie den Gürtel nicht fest schnüren konnte. Mariko puderte ihr Gesicht und steckte das Haar hoch. Dann sah sie sich im Spiegel an. Eine schöne, stolze Frau mit einem großen, runden Bauch. Das Gelb und Orange des Kimonos leuchteten. Sie rieb sich sanft den Bauch und sagte leise zu ihrem Spiegelbild: »Welcome, little Junko! Bienvenue, ma fille!«  
    Dann ging sie zum Essen.  

 
    WELCOME HOME, MASTER!  
    D ie Tür des Cafés schwang weit auf, und ein kalter Luftzug fegte herein. Sie trug heute das Rotkäppchenkostüm, dessen roter Faltenrock besonders kurz war. Ihre Beine waren nackt, und es fröstelte sie. Sie trug keine Strumpfhosen.  
    Ihre Haut war blass, fast durchsichtig. Überall zogen sich zarte Venen über die Oberschenkel.  
    Sonst trug sie immer weiße Strumpfhosen. Eigentlich war das Prinzessinnen-Outfit oder die French-Maid ihr Kostüm. Dazu trug sie viel Make-up. Puppengleiche pinke Wangen auf weißer Haut, kirschrotes Lipgloss und falsche Wimpern.  
    Miko, der Manager, hatte letzten Monat vier zusätzliche Mädchen eingestellt, deshalb gab es jetzt oft ein Durcheinander mit den Kostümen. Die Mädchen, die zuerst da waren, hatten die größte Auswahl. Das Rotkäppchenkostüm war ihr eine Nummer zu klein.  
    Das Café lag in einer kleinen Seitenstraße in Akihabara. Dennoch ging es recht lebhaft zu. Oft kamen Leute spontan, viele reservierten zum Lunch oder Dinner. Der Vorhang vor der Eingangstür bewegte sich, und die Glocke klingelte. Sechs Männer traten ein. Dies war die letzte Gruppe für heute.  
    Miyu sah sich um: Akako, Iku, Mariko, Reiko und Yumi waren frei. Sie war die Chefhostess heute Abend und teilte die Mädchen ein. Zusätzlich musste sie auch die Gäste bedienen.  
    Die Herren traten ein. Sie winkte die Mädchen heran. Dann setzte sie selbst ein strahlendes Lächeln auf, rief: »Welcome home, masters!« und verbeugte sich tief. Die anderen Mädchen eilten hinzu. »Welcome home, masters!«, riefen sie schon von Weitem und klangen dabei wie Teenager. Ein pinkfarbenes Bunnyhäschen, eine Polizistin, eine French-Maid,

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